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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zwischen die Beine.
    »Wofür?«
    »Um sich selbst in Schach zu halten.«
    Ich stand auf und zeigte auf den Quacksalber. Genug war genug. Ja, genug war mehr als genug. Der Stuhl fiel gegen die Wand.
    »Vielleicht erzählen Sie mir lieber einmal, wo ich diese verfluchten Proben ablegen soll?«
    »Die Proben sind bereits abgelegt, Herr Hval.«
    »Wie bitte?«
    »Einar hatte recht. Er hat behauptet, dass Sie in jedem zweiten Satz Wie bitte oder Entschuldigung sagen.«
    »Entschuldigung?«
    »Da sehen Sie es. Es gibt eine Klinik in Paris, die für Sie passend sein könnte.«
    Ich hätte auf den Tisch schlagen sollen. Ich hätte Doktor Frost, diese Knackwurst, zu einem Nichts zertrampeln sollen. Ich holte mein Taschentuch heraus.
    »Abgelegt? Sind die Proben bereits abgelegt?«
    »Abgelegt und analysiert, Herr Hval.«
    »Wie kann das sein?«
    »Sigrid hat ein paar Flecken vom Laken mitgebracht. Sie ist nicht auf den Kopf gefallen, wissen Sie.«
    Ich holte tief Luft und legte das Taschentuch so lange zusammen, wie ich konnte.
    »Ach so. Und was sagen die Analysen?«
    Doktor Frost drückte seine Zigarette ebenso langsam im Aschenbecher aus und stand auf.
    »Dass leider alles in Ordnung ist. Sigrid tut mir sehr, sehr leid. Auf Wiedersehen.«
    Ich ergriff seine Hand. Wir wahrten den guten Ton. Wir waren trotz allem Kollegen.
    »Auf Wiedersehen.«
    Ich drehte mich zur Tür.
    »Ach, eines noch, Herr Hval.«
    Hatte dieser niedergelassene Drammener nicht genug Schaum geschlagen?
    »Ja?«
    »Können Sie sie nicht einfach freigeben?«
    Ich ging den ganzen Weg zurück. Ich ging auf meinen nackten Füßen, durch den Schnee, über Schneewehen, gegen den Wind. Ein paar Autofahrer verlangsamten ihre Fahrt und fragten, ob ich mitfahren wollte, freundliche, aufmerksame Menschen sie alle, hätte ich nicht das Gleiche getan? Aber ich schlug ihr Angebot höflich, aber entschieden aus. Ich ging, wie es sich gehörte. Ich wich nicht zurück. Ich härtete mich nicht nur ab, das muss ich zugeben, ich verhärtete mich auch. Der einzige Punkt, an dem ich stehen blieb, das war die Stelle, an der ich Notto Fipp zum ersten Mal begegnet war und wo ich meine Schuhe für ihn hingestellt hatte. Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich sank in der Kälte auf die Knie. Ich konnte mich trotz allem nicht mit ihm messen. Als ich in Oslo ankam, war es bereits später Abend geworden. In der Pilestredet sah ich ein Pferd zwischen den Straßenlaternen. Im Rikshospital war es wie üblich ruhig. Der Gedanke kommt mir jetzt: Im Frühling steht der Tod Schlange. Damit will ich etwas anfangen. Ich fand einen leeren Operationsraum, einen der kleinsten, aber mit der nötigen Ausrüstung: Messer, Nadel und Faden. Ich verschloss die Tür und zog die Hose herunter. Auf eine Betäubung verzichtete ich. Ich war, wie gesagt, nicht nur gehärtet, sondern auch verhärtet. Ich war zu allem bereit. Doch der Körper ist standhaft. Er hat seinen eigenen, zähen Willen. Er lässt sich nur selten überreden. Es ist kein Zufall, dass die ehrenhaften Japaner, wenn sie Harakiri begehen, sich nicht das Schwert in die Brust stoßen, sondern sich selbst in das Schwert fallen lassen, das sie mit beiden Händen halten. Mein Vater benutzte einen Schnürsenkel. Ich werde natürlich bei dem, was ich tat, nicht ins Detail gehen. Ich setzte mich auf den OP -Tisch, schob mir das Taschentuch in den Mund, um mir nicht auf die Zunge zu beißen, hob mit der linken Hand die Hoden, während die rechte das Messer umklammerte, oder die Feile, wie wir es nennen, schob zuerst den einen Testikel auf die Spitze, so dass ich einen schmalen Schnitt machen konnte, dann den anderen, zwei kleine Schnitte, und ebenso schnell durchtrennte ich die Samenleiter und fiel nach hinten. Oh, meine Eier! Ich empfehle das niemandem. Mit einem blutigen Taschentuch im Mund und noch mehr Blut zwischen den Beinen wachte ich auf. Der Rest war Routine. Ich verschloss mich selbst mit zwei Stichen auf jeder Seite, knöpfte die Hose wieder zu, räumte alles auf und säuberte es, löschte alle Spuren und ging hinaus. Dort begegnete ich ihr. Sie kam den Flur entlang, und wir wären fast zusammengestoßen. Es war Alma. Alma Lund. Sie hielt ein Bündel in den Armen, das Kind. Das Kind schlief in ihren Armen. Sie blieb erschrocken stehen.
    »Schrecklich«, sagte ich.
    »Ist alles in Ordnung mit dir, Bernhard?«
    »Auf jeden Fall. Ganz und gar. Und mit Ihnen? Ich meine, mit euch? Es ist ein Junge, nicht wahr? Herzlichen Glückwunsch. Darf

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