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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Füße, um den Druck zu lindern. Die Waden und Gelenke sahen nämlich übel aus, und eine Zeitlang fürchtete ich das Schlimmste: einen Pfropf. Dann hätte ich jedenfalls lange nach meinem Königsgedanken suchen können. Ich benutzte das, was mir zur Verfügung stand, in erster Linie meine Hände. Ich verabreichte Notto eine umfassende Massage, sowohl Kneten, Walken, Klopfen als auch Hacken, damit das Blut besser floss.
    »Warum soll ich von Kopenhagen nach Oslo gehen?«, fragte er.
    »Du sollst mit einem sogenannten dänischen Geher um die Wette gehen und dem ganzen Norden ein für allemal zeigen, wer der wahre Meister ist.«
    »Muss ich dann durch Schweden gehen?«, fragte er schließlich.
    »Dazu wirst du wohl gezwungen sein.«
    Wir gaben uns daraufhin die Hand, zwei Gentlemen im Skovveien, denn in diesem Moment waren wir, ich wage es zu behaupten, einander ebenbürtig.
    Augenblicklich machte ich mich daran, an den dänischen Hoflieferanten von Amager zu telegraphieren, und bekam auch sogleich eine Antwort. Wir verabredeten ein Treffen in Kopenhagen bereits am folgenden Tag. Ich sagte Sigrid, dass ich nach Dänemark fahren müsse. Es ging um die großen Pläne. Es ging um meine Dissertation. Meine Zukunft stand auf dem Spiel. Sie hatte nichts dagegen, ganz im Gegenteil. Wenn ich nur rechtzeitig zurückkäme.
    »Rechtzeitig? Wofür?«
    »Zu deinem Termin bei Doktor Frost, Berny. Es geht um unsere Zukunft.«
    »Selbstverständlich.«
    Bei allem, was ich zu bedenken gehabt hatte, hatte ich also vergessen, daran zu denken.
    »Selbstverständlich«, wiederholte ich.
    Ich musste mich wappnen und eins nach dem anderen in Angriff nehmen. Ulula cum lupis! Zuerst nahm ich die Fähre nach Kopenhagen, es war vollkommen windstill, und ich lag die ganze Nacht über schlaflos in meiner Kabine, heulte und ruderte mit den Armen, warum hatte Ulrik Holmsen nicht nach Oslo kommen können? Am nächsten Tag, um 9.00 Uhr, traf ich ihn wie verabredet zum Frühstück im Restaurant des Hotels d’Angleterre. Er war immer noch derselbe Schnösel, aber jetzt trug er einen dunkelroten oder besser noch burgunderfarbenen Anzug und eine breite Fliege. Wir setzten uns an einen Fenstertisch, er bestellte Schnaps, was ich in keiner Weise brauchte. Wir redeten ein wenig über alles Mögliche, bevor wir zur Sache kamen.
    »Sie brauchen einen Schnaps«, sagte er.
    »Den brauchen wir beide«, erwiderte ich.
    »Sie sehen seekrank aus.«
    »Ja, es war schlimm auf dem Skagerrak.«
    Wir prosteten einander zu, und Ulrik Holmsen verlangte Nachschlag. Wollte er mich um Sinn und Verstand trinken, bevor wir überhaupt zur Sache kamen?
    Ich tat, als schaute ich auf die kleine, unbrauchbare Schlittschuhbahn zwischen den Bäumen, während ich den dritten Schnaps in die Dettweiler spuckte.
    »Wofür sind Sie Hoflieferant?«, fragte ich.
    »Blumen. Und Sie sind Arzt, soweit ich mich erinnere?«
    »Am Rikshospital in Oslo.«
    Ein paar Kinder, vielleicht eine Schulklasse, rutschten auf dem Eis herum und fielen größtenteils hin.
    »Ich habe nicht gedacht, dass ich wieder von Ihnen hören würde.«
    »Aber schließlich haben Sie das. Darf ich vorschlagen, dass wir uns duzen?«
    »Das finde ich keine gute Idee.«
    Ich drehte mich zu Ulrik Holmsen um. Seine Augen waren fest und klar. Hatte er den Schnaps auch verschwinden lassen? Was mich nicht wundern würde.
    »Nein? Sie wollen nicht das Du?«
    »Wir sind Konkurrenten, Herr Hval. Keine Freunde. Lassen Sie uns zur Sache kommen.«
    Nun ja, wenn er es so haben wollte. Er würde sowieso bald erfahren, mit wem er es zu tun hatte.
    »Wo ist das Steak?«, fragte ich.
    »Haben Sie schon wieder Hunger? Ich spendiere Ihnen gern ein Steak. Herr Ober!«
    Er versuchte sich auf meine Kosten lustig zu machen. Ich hielt ihn natürlich augenblicklich zurück. »Ich meine den dänischen Meister, Herr Holmsen. Ist er hier?«
    »Hier? Wir wollen doch unsere Athleten außen vor lassen. Oder haben Sie vielleicht die Banane dabei?«
    »Er ist zu Hause und ruht sich aus.«
    Holmsen lächelte.
    »Fehlt Ihnen etwas, Herr Hval?«
    »Wieso?«
    »Sie schneiden solche Grimassen.«
    »Ich habe doch gesagt, dass ich seekrank war. Das sitzt leider immer noch in mir.«
    »Es gibt einen ausgezeichneten Abtritt im Untergeschoss, wo Sie sich erbrechen können.«
    »Vielen Dank.«
    Ich ging hinunter, trampelte, ruderte mit den Armen und arbeitete es aus mir heraus. Ja, ich fing an, diesen Spritzkuchen so tief zu verachten, dass ich ihn fast schon wieder

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