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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Wir würden es ihnen zeigen! So lief ich umher, voller Zweifel und übermütig, den einen Moment meiner Sache vollkommen sicher, im nächsten ebenso tief verstrickt in Zweifel, bis vor Skagen Wind aufkam und ich auf allen vieren kriechen musste, während Wind, Gischt und Schnee mein Gesicht peitschten. Einer aus der Mannschaft musste mich hereinholen.
    Als wir am nächsten Morgen anlegten, zwei Stunden und zwanzig Minuten verspätet, fuhr ich zuerst in den Skovveien, mit klopfendem Herzen. Notto Fipp lag immer noch im Bett, aber er war nicht mehr so blass. Er hatte gegessen und getrunken. Eine leere Milchflasche stand auf dem Nachttisch. Vier Bananenschalen lagen auf dem Boden. Ich wechselte seine Umschläge um die Füße und Gelenke. Zu meiner großen Freude sah ich, dass die Schwellung zurückgegangen war. Ich fasste wieder Mut. Zweifel ist das Letzte, was die Kantigen ertragen.
    »Alles ist geregelt«, sagte ich.
    Dann fuhr ich weiter nach Drammen, um das zu tun, was nach den Worten meines Schwiegervaters, dieses Fettwanst, meine Pflicht war, nämlich eine Spermienprobe abzugeben, um damit zu beweisen, dass ich ein tauglicher Ehemann war. Ich fand Doktor Frost am Bragernes torg. Er war älter als die ganze Familie Juell zusammen. Er missfiel mir vom ersten Augenblick an, und es war offensichtlich, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. Es irritierte mich, dass er eine Haarmähne wie ein Junger hatte. Jetzt erkannte ich ihn wieder. Er war es gewesen, der mit allen Damen getanzt hatte. Er saß in seinem blütenweißen Kittel hinter einem Mahagonitisch, der fast das gesamte Sprechzimmer ausfüllte, und war nicht einmal in der Lage, aufzustehen, vielleicht wollte er es auch nur nicht. Wir gaben uns dennoch die Hand und stellten uns einander vor, Doktor Hval, Doktor Frost, bitte schön, setzen Sie sich, danke, danke, dass Sie gekommen sind, na, das hätte ja gerade noch gefehlt. Wir wahrten den Ton. Trotz allem waren wir Kollegen. Ich setzte mich.
    »Ich kann natürlich verstehen, dass Ihnen die Situation unangenehm ist«, sagte er.
    »Vielleicht können wir gleich zur Sache kommen.«
    »Aber es ist leider nötig.«
    »Finden Sie?«
    Doktor Frost schob seine Mähne mit beiden Händen nach hinten. Er wollte sicher die Reste seiner Männlichkeit zeigen, der sterbende Löwe, der er war.
    »Sie können ja selbst sehen, dass Sigrid wie geschaffen dafür ist, Kinder zu bekommen! Die Hüften, die Taille, die Brüste, die Schenkel, die Muskeln! Sie sind ja wohl nicht blind?«
    War er besessen von ihr, meiner Ehefrau? Was konnte sich ein Familienarzt im Laufe der Jahre so alles erlauben? Sollte ich einen Skandal machen? Ich konnte mit einem Fingerschnippen seinen Ruf ruinieren und ihn in die Finsternis der Schande verdammen.
    »Natürlich«, sagte ich. »Sigrid ist eine gesunde, schöne Frau.«
    »Und da bleiben nur noch Sie übrig, Herr Hval.«
    Doktor Frost beugte sich vor.
    Ich wurde langsam ungeduldig.
    »Deshalb bin ich ja hier«, sagte ich.
    Er blieb so sitzen und schien mich zu vermessen.
    »Irgendetwas stimmt nicht mit Ihnen, Herr Hval.«
    »Wie bitte?«
    »Jetzt haben Sie es wieder gemacht.«
    »Was?«
    »Mit den Zähnen geknirscht.«
    »Wie Sie selbst gesagt haben, die Situation ist nicht besonders angenehm.«
    »Und ich glaube zu wissen, was es ist.«
    »Was?«
    »Was nicht mit Ihnen stimmt, Herr Hval.«
    Musste ich hier in Drammen sitzen und mich von diesem Minuskel beleidigen lassen?
    »Das bezweifle ich aber«, sagte ich.
    Doktor Frost zündete sich eine Zigarette an.
    »Sie glauben sicher, ich bin nur ein abgedankter, erfolgloser Dorfarzt.«
    Ich unterbrach ihn.
    »Ich glaube gar nichts über Sie und möchte das Gespräch beendet haben.«
    »Warum schnauben Sie die ganze Zeit?«
    »Weil ich erkältet bin. Ich komme direkt mit der Fähre aus Dänemark und war leider so unvorsichtig, draußen auf Deck zu stehen.«
    Plötzlich hörte ich, wie ich dabei war, Erklärungen abzugeben, etwas, was ich in keiner Weise zu tun brauchte. Ich schuldete ihm keine Erklärung. Ich verstummte.
    »Sie sind nicht erkältet«, sagte Doktor Frost.
    »Ich bin an Ihrer Diagnose nicht interessiert.«
    Plötzlich hob er den Arm, und ich tat das Gleiche. Mein Arm fuhr auch hoch. Ich konnte es nicht verhindern. Wir saßen beide mit einem ausgestreckten Arm da. Das hätte jemand sehen sollen. Es dauerte eine Sekunde, vielleicht weniger.
    Doktor Frost schüttelte den Kopf.
    »Sie sollten sich Hilfe suchen, Herr Hval.«
    Ich zwängte die Hände

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