Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
Mai, während Frauen sich vor allem an den September halten. Man kann außerdem sagen, dass jedes Geschlecht bevorzugte Methoden hat. Männer pflegen sich aufzuhängen oder zu erschießen, es ist seltener, dass sie Gift nehmen oder sich ins Meer stürzen. Frauen, besonders schwangere, nehmen Gift, erhängen oder ertränken sich. Auch der Beruf hat seine Bedeutung. Es gibt unter den Ärzten ziemlich viele Selbstmorde. Der Frühling würde bald kommen. Ansonsten konnte ich mich darüber freuen, dass Knut Hamsuns letzter Roman von vielen Kritikern und Schriftstellerkollegen verrissen worden war. Die Personen führen sich wie erschöpfte Artisten auf einem Marktplatz auf. In einer anderen Zeitung stand: Sie sind es wirklich leid, Illusionen aufzuführen und Narren für das Volk zu sein. Ich warf diese Zeitung weg und war mehrere Tage lang nervös. Trotzdem schaute ich weiter nach Rezensionen. Wir hatten nämlich in unserem Aufenthaltsraum im Rikshospital ein Regal, in dem Zeitungen aus dem ganzen Land gestapelt wurden, natürlich mehrere Tage lang, vielleicht waren einige sogar Wochen oder Monate alt. Hatte sich ein neuer Zwang gezeigt? Musste ich jetzt sämtliche Zeitungen lesen, die in Norwegen herausgegeben wurden, und dabei drehte es sich um mehrere Hundert. Ich versuchte den Aufenthaltsraum zu vermeiden, vergeblich. Ich musste blättern. Schadenfroh las ich in einer größeren Zeitung: Hamsun hat schon immer zu dem Stamm gehört, der seine Alten erschlug und sie am Wegesrand liegen ließ, grausam ist er immer gewesen, und das Menschenleben war für ihn nie mehr wert als ein Spiel mit Trieben und dem Tod. Ich sah zu, dass ich wieder hinunter in die Mäusehalle kam, äußerst unruhig und nicht mehr schadenfroh. Die Leiche auf dem Tisch war ein 48 Jahre alter Mann, tot aufgefunden in einem Hospiz am Rande der Stadt. Er hatte zuerst versucht, sich zu erstechen, und ihm war auch ein Stich in die Herzregion, in die Pleuraregion und ins septum ventric gelungen. Doch damit nicht genug. Anschließend fügte er sich mit einem starken Messer eine große, breite, klaffende Wunde im Nacken zu. Sie erstreckte sich von einem Punkt, drei Zentimeter hinter dem linken Ohr, um den Nacken herum bis zum rechten Ohr, quer durch Muskeln, Faszien und bis ins columna zwischen atlas und epistropheus hinein, in die Hirnhaut und durch den hinteren Halbteil der medulla spinalis. Das war einfach einzigartig. Hinzu stellte sich heraus, dass der Mann geisteskrank war. Wir hatten es mit einem Prachtexemplar zu tun. Ein Assistent schrieb geistesschwach ins Krankenblatt, und ich war gezwungen, ihn zu korrigieren. Der Begriff geistesschwach sollte nämlich möglichst nicht benutzt werden. Benutzt man ihn trotzdem, dann muss man sich darüber klar sein, dass eine Geistesschwäche nach dem norwegischen Gesetz für Geisteskrankheiten Idiotie bedeutet, und Idioten sind als geisteskrank aufzufassen und zu deklarieren, mit anderen Worten, eine Schlussfolgerung wie nicht geisteskrank, sondern geistesschwach ist laut norwegischem Recht ein Widerspruch in sich. Dieser Fall beschäftigte mich so sehr, dass ich die Zeitungen ganz vergaß. Am nächsten Morgen war der Zwang jedoch wieder da, das heißt, er war natürlich die ganze Zeit da gewesen, aber ich hatte anderes zu bedenken gehabt. Ich musste in den Aufenthaltsraum und blättern. Und in diesem Zusammenhang stieß ich wieder auf Notto Fipp. Im Fædrelandsvennen vom März, also dem März 1931, bereits zwei Monate alt, konnte ich diese herzzerreißende Klage über das Junggesellentum lesen, unterschrieben von keinem anderen als Notto Fipp: Es ist heutzutage nicht leicht, Junggeselle in Evje zu sein. In 14 Tagen soll der »Sinter« im Bergwerk von Evje mit neun bis zehn Mann in Gang gesetzt werden, aber es werden nur verheiratete Männer eingestellt. Das Schmelzwerk selbst wird nicht vor Weihnachten in Betrieb gehen. Vielleicht werden auch dort nur verheiratete Männer angenommen. Es herrschen momentan harte Zeiten für Junggesellen. Ich finde, es gibt ein ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen Verheirateten und Unverheirateten. Nicht nur, dass die Junggesellen zu viel von den Steuerbürden der Verheirateten tragen müssen, jetzt sieht es auch noch so aus, als würden sie gar nicht das Recht bekommen, zu arbeiten. Ja, es ist schon wahr, dass es für den Menschen nicht gut ist, allein zu sein.
Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken und stand kurz vor den Tränen. Ein paar aufdringliche, unangenehme
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