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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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mehr erklären, dass Obduktionen die ärztlichen Künste weiterbrachten. Ich rettete Leben, indem ich die Toten untersuchte. Gleich kotze ich, sagte Sigrid. Wie gesagt, wir lebten uns auseinander. Sie ging abends aus, kam immer später nach Hause, besonders oft war sie im Nürnberger Hof. Ich hörte es im Rikshospital, meistens hinter meinem Rücken, aber ich hörte es, dass sie die Königin aller Tische in diesem immer zweifelhafteren Etablissement war, allein der Name war in diesen Zeiten bereits suspekt. Nürnberger Hof, eine Bierkaschemme deutschester Art. Die Medizinische Gesellschaft lag eine Etage darüber. Dort verkehrt Bernhard Hval und hat seine eigene, etwas zweifelhafte Gattin ein Stockwerk tiefer nicht unter Kontrolle. Nichts hört man besser als das, was hinter dem Rücken gesagt wird. Eines Abends fragte ich sie geradeheraus:
    »Wieso hören wir nichts mehr von Tora?«
    »Und warum fragst du das, Berny?«
    »Gehört ihrem Vater nicht der Nürnberger Hof?«
    »Er hat ihn verkauft. Interessiert dich das?«
    »Du solltest nicht dorthin gehen.«
    Sigrid mischte sich einen dieser verdammten Drinks, von denen sie glaubte, sie machten sie schöner. Ich hätte sagen können, dass die Drinks sie hässlicher machten, als sie war, sie machten Muskeln zu Fett, sie entblößten das Gesicht auf eine Art und Weise, wie sie keine Schminke vertuschen konnte. Aber warum sollte ich zur Wahrheit greifen, ich, der sie mit Lügen zerstört hatte?
    Dann bekam ich eine gewisse Beförderung, von verschiedenen Seiten, wenn man es so sagen kann. Meine exakte Analyse der Widerwärtigkeiten in Sandvika führte dazu, dass eine andere, sehr viel delikatere Sache in meine Hände fiel. Worauf ich lieber verzichtet hätte. Staatsrat Quisling wurde angeblich am Nachmittag des zweiten Februar 1932 im Verteidigungsministerium von einem Mann angegriffen, der ihm mehrere oberflächliche Messerstiche in der Brust zufügte, außerdem einen Schlag auf den Kopf, der Bewusstlosigkeit hervorrief und später ein ganz typisches Bild einer ernsthaften commotio cerebri. Diese Symptome verschwanden aber im Laufe einiger Tage. Bei meiner Untersuchung fand ich jedoch neben Rissen und Messerstichen durch Weste, Hemd und Haut in die Brust eine sonderbare längliche Schramme auf der Stirn, ungefähr einen Zentimeter breit, vermutlich verursacht von einem länglichen stumpfen Gegenstand, vielleicht einem sogenannten Baton, einem Gummiknüppel. Diese Verletzungen, die sich als die schlimmsten erwiesen, verursachten die Gehirnkommotion. Die große Frage war, ob Quisling selbst sich diese Verletzung hatte zufügen können, um sich auf diese Weise Sympathie und Ellbogenfreiheit zu verschaffen. Vom gerichtsmedizinischen Gesichtspunkt aus, unter anderem auch meiner Person, denn ich war selbstverständlich nicht allein mit dieser Aufgabe betraut, das möchte ich betonen, wurde festgestellt, dass er sich nur schwerlich, ich wiederhole, nur schwerlich, und der Zweifel kommt leider manchmal dem Verdächtigen zugute, die Verletzung auf der Stirn eigenhändig hatte zufügen können. Die Sache wurde nie ganz aufgeklärt, und sie wurde auch 1945 nicht gegen Quisling angeführt, als der Prozess gegen ihn mit seiner angemessenen Hinrichtung endete. Ich glaubte nicht ein Wort seiner Erklärung, aber das war auch nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist und bleibt die Sachlichkeit. Ich habe Quisling reingewaschen. Hätte ich es besser gewusst, ich hätte vielleicht die Geschichte verändern können, zumindest die norwegische, in aller Bescheidenheit, da er ja bereits im folgenden Jahr die Nasjonal Samling gründete. Ohne meine gerichtsmedizinische Freisprechung wäre das kaum möglich gewesen. Ich hätte dafür sorgen können, dass er verurteilt wird. Durch mich wäre der Zweifel der Nation zugutegekommen. Doch so wurde über ihn lang und breit in den Zeitungen geschrieben. Mein Name wurde erwähnt. Und dafür gab Sigrid mir alle Honneurs, die sie mir geben konnte. Sie nannte mich ihr herrliches Schleckermaul. Ich war nicht länger nur ihr Stutenprinz. Obduziere mich, mein kleines Schleckermäulchen! Ich zog wieder in ihr Schlafzimmer ein. Und damit hörte Sigrid auch auf, in die Stadt zu rennen. Sie trank auch nicht mehr zu Hause, bis auf ein Glas Wein zum Essen sonntags, und sie beschloss sogar, ein Comeback als Tennisspielerin zu versuchen, sie war ja trotz allem noch nicht einmal dreißig. Das Ziel, das sie sich setzte, war auch nicht gerade ein geringes, nämlich die

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