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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wartete, jetzt musste sie ja wohl bald kommen und mich erlösen.
    Der Vater rührte keinen Tee um, stattdessen mixte er sich einen Drink, und zwar einen starken, schaute mich an und stellte die Flasche wieder in den Schrank. Er blieb stehen.
    »Du kannst ja Auto fahren«, sagte er nur.
    Ich nickte.
    »Guter Tee. In dieser Hitze.«
    Die Mutter schenkte mir nach.
    »Hast du deinen Fahrer heute nicht dabei?«
    Der Vater antwortete für mich.
    »Bernhard hat ihn gefeuert.«
    »Warum das?«
    Der Vater sprach weiter an meiner statt, und wenn es etwas gibt, was ich nicht vertragen kann, dann das. Hätte ich das Zimmer lieber verlassen! Aber ich saß immer noch dort.
    »Er ist zu langsam gefahren, und Bernhard konnte es nicht erwarten, Sigrid zu sehen.«
    »Ich weiß ja nicht, was Sigrid dazu sagen wird«, sagte die Mutter.
    Jetzt ergriff ich in meinem Gespräch selbst das Wort.
    »Ich denke wohl, dass sie geschmeichelt sein wird«, sagte ich.
    Die Mutter zuckte mit den Schultern.
    »Ich meine, dass du deinen Fahrer gefeuert hast. Willst du etwa unseren mitnehmen? Sigrid kommt nicht ohne Chauffeur aus.«
    »Ich werde ihr Chauffeur sein«, sagte ich.
    Die Eltern schauten einander an, sahen direkt an mir vorbei und sagten nichts.
    Ich holte tief Luft.
    »Wo ist sie denn überhaupt?«, fragte ich.
    Der Vater blieb stehen.
    »Wir haben so viel mit dir zu bereden, Bernhard, die Hochzeit, die Gästeliste, die Hochzeitsreise, das Menü, was weiß ich nicht alles. Aber vorher möchte ich dir ein paar Fragen stellen, in aller Vertraulichkeit.«
    Wollten sie mir nicht sagen, wo Sigrid war?
    »Sigrid«, wiederholte ich. »Wo ist sie?«
    »Sie besucht für ein paar Tage ihre Freundin Tora in Oslo«, erklärte die Mutter, etwas zu schnell. »Die beiden wollen Tennis spielen.«
    Höchst sonderbar, sehr, sehr sonderbar, daran bestand kein Zweifel.
    »Sollte sie nicht hier sein? Wenn wir über unsere Hochzeit reden?«
    Die Mutter legte mir eine schwere Hand auf den Arm, sie hätte mich umdrehen können, wenn sie es gewollt hätte.
    »Wir haben noch genug Zeit, um mit Sigrid zu reden. Mach dir da keine Sorgen.«
    Da begriff ich endlich, natürlich, sie wollten mich auf die Probe stellen oder an die Wand, mich, den Sohn eines Selbstmörders, aus einer Konkursfamilie, mit einer zweifelhaften Mutter mit schlechtem Ruf. Sigrid war einzig und allein nach Oslo geschickt worden, damit sie mich für sich allein hatten. War ich etwa trotz meiner Examina ihrer Tochter gar nicht würdig? Aber eines wollte ich sagen, ja, das würde ich sagen, wenn es notwendig sein sollte, dass ich, wenn es um Ausbildung und akademischen Rang ging, so weit über ihnen stand, diesem Holzfäller und seiner Frau, der alten Tennisspielerin, dass ich sie kaum erspähen konnte.
    »Selbstverständlich«, sagte ich.
    Die Mutter zog ihre Hand zurück.
    »Ich wusste, dass du es verstehen würdest, Bernhard.«
    Der Vater stellte sich ans Fenster und blieb dort stehen, mit dem Rücken zu uns. Als er sein Glas hob, fiel das Licht auf eine ganz spezielle Art hinein, und es sah aus, als tränke er flüssiges Kupfer.
    »Was hat dich geritten, als du diese, diese anrüchigen, diese obszönen Worte in der Universitätsaula gesagt hast? Was in Himmels Namen hast du dir dabei gedacht?«
    Ich faltete die Hände, schaute nach unten und biss die Zähne zusammen, bis sie an den Kieferknochen Funken schlugen, und ich war kurz davor, es wieder zu sagen, zu flüstern, zu rufen: Oh, du Schwanz im Riesenrad! Ich musste die Zähne noch fester zusammenbeißen, um es nicht zu tun, sonst hätte ich alle meine Chancen verspielt.
    Ich lachte.
    »Es war nur eine Wette«, sagte ich.
    Der Vater zeigte mir immer noch seinen Rücken.
    »Eine Wette? Erklär uns das bitte.«
    Ich hätte sagen können, dass es nur meine generatio spontanea war, und es dabei bewenden lassen. Ich will nicht prahlen. Deshalb sagte ich lieber:
    »Du bist wahrscheinlich nicht mit den akademischen Traditionen vertraut, aber derjenige, der die Festrede hält, ein Privilegium, das mir dieses Jahr zuteil wurde, der schließt mit den anderen Studenten eine Wette ab, dass er es wagt, wie soll ich sagen, unorthodoxe Redewendungen in die Rede einzufügen. Es tut mir natürlich leid, wenn ich dadurch jemanden verstört haben sollte.«
    »Und um welche Prämie ging es?«, fragte der Vater.
    »Prämie?«
    »Ja. Eine Wette wird entweder gewonnen oder verloren. Du hast gewonnen. Ich würde gerne wissen, was deine Prämie war.«
    »Ehre und

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