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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Milch. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich kann Milch nicht ausstehen, und in einer Meierei zu arbeiten, das ist das Allerletzte, was ich mir vorstellen kann.
    Erkennen Sie die Logik? Nein, denn es gibt keine Logik.
    Aber Milch oder keine Milch: ganz gleich, wie unterschiedlich unser Eintritt in diese trübselige und schattenvolle Welt auch gewesen sein mochte, so führten unsere Wege uns zum Schluss doch zusammen. Wir kamen jeder aus unserer Ecke und standen uns schließlich Aug in Aug gegenüber, an einem heißen, herrlichen Nachmittag im August 1929, zwischen Oslo und Drammen. Was nicht als Zufall bezeichnet werden darf. Denn ein Zufall steht nicht auf unserer Liste. Wir schwören auch nicht auf andere Worte. Und lassen Sie es mich so sagen, um nicht andere, zu viele und überflüssige Worte zu benutzen, manchmal habe ich das Gefühl, als würde ich immer noch, allein und unbedeutend, in dem alten Roadster die staubigen Seitenstraßen entlangfahren, die den Rest meines Lebens ausmachten. Aber legen Sie nicht zu viel Gewicht darauf.

DIE FORTSETZUNG DES ENDES
    So wie Notto seinen alten Namen, Senum, loswurde und damit das ganze Joch seines Geschlechts und noch einmal von vorn anfangen konnte, als kein anderer als Notto Fipp, so war ich meinen Fahrer losgeworden, diesen Nachlass meines Vaters, dieses Gespenst aus der Kindheit von Besserud, und war nun mein eigener Herr. Wenn ich von echtem Schrot und Korn gewesen wäre, hätte ich mich natürlich auch gleich des Autos entledigt, um das letzte Stück nach Drammen zu Fuß zu gehen, aber dazu war ich zu träge veranlagt, kurz gesagt, ich hatte nicht Notto Fipps Format. Wenn ich schon nicht mein eigener Herr war, was ich niemals wurde, so war ich zumindest mein eigener Chauffeur. Das musste genügen. Das Problem war nur, dass ich zum ersten Mal Auto fuhr. Ich hatte ja immer einen Fahrer gehabt. Es ging über Stock und Stein und in den Kurven auf zwei Rädern. Ich fuhr wie ein Wilder und war eine Gefahr für Mensch und Vieh in den Gegenden von Lier, oh ja, Hühner flatterten auf, Kühe kullerten in den Straßengraben, und Schafe liefen vor dem Wagen davon, bis sie so mürbe waren, dass sie auf der Stelle serviert werden konnten. Mehr als ein Bauer ballte die Faust hinter mir, und wenn mir der Motor ausgegangen wäre, dann wäre ich wahrscheinlich gelyncht worden. Ich war ein elender Fahrer. Das würde sich rächen. Das würde mit unermesslichem, nicht wiedergutzumachendem Schaden bestraft werden. Doch an diesem Tag erreichte ich mit heiler Haut die Residenz der Familie Juell, am Abhang des breiten Flusses, der Landstraße der Floße, und bog auf das Grundstück ein, vorbei am Tennisplatz, dem Springbrunnen und bremste vor der Treppe, auf der mein Schwiegervater in spe, Einar Juell, bereits im Schatten der Säulen auf mich wartete, wie üblich sportlich gekleidet, er konnte in Nullkommanix in einem gemischten Doppel antreten, falls das notwendig sein sollte.
    Ich sprang über die Autotür und war ziemlich ermattet, es schien, als wäre der Körper neu zusammengesetzt worden, auf eine bisher unbekannte Art und Weise. Mit anderen Worten, ich war mürbe geklopft. Was mich jedoch nicht daran hinderte, aufgedreht zu sein, ja, fast berauscht, von der Geschwindigkeit, der Fahrt, die ich immer noch wie einen Sog in der Brust spürte.
    Einar Juell kam die Treppe herunter, verblüfft, wir begrüßten uns, und anschließend wischte er sich die Hand mit seinem mit Initialen bestickten Taschentuch ab.
    »Hat der Fahrer heute frei?«, fragte er.
    »Er ist gerade gefeuert worden.«
    »Ach so. Und weshalb?«
    Ich lachte.
    »Er ist zu langsam gefahren«, sagte ich.
    »Aber musst du deshalb unbedingt diese Mütze aufsetzen?«
    Beschämt riss ich sie ab, der Staub rieselte von ihr herunter, und erst jetzt sah ich, dass ich fast vollkommen von Staub und Insekten bedeckt war, die Jacke, die Handschuhe, das Hemd, ja, mein Gesicht war steif wie eine Maske, in einer wahrscheinlich lächerlichen Grimasse erstarrt.
    »Da war wohl einiges an Haustieren unterwegs«, sagte ich.
    Einar Juell war weder amüsiert noch beeindruckt. Stattdessen pfiff er vor sich hin.
    Und ich sagte das, was ich natürlich gleich zu Anfang hätte sagen sollen, bevor er überhaupt das Wort ergriffen hatte:
    »Ich konnte nicht schnell genug zu Sigrid kommen«, sagte ich.
    Ein Dienstbote mittleren Alters in Livree, der arme Mann, tauchte auf. Einar Juell flüsterte ihm etwas zu, woraufhin dieser demütige Diener nickte und

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