Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
der Sache, milde in der Art«, murmelte ich.
Der Laborant gab der Kellnerin die leere Flasche und ließ sie endlich los.
»Mit anderen Worten, mehr Schnaps!«
William, oder Julius, beugte sich über den Tisch.
»Das Problem ist nicht, wie man Fremdkörper aus dem Rektum herausbekommt, sondern wie sie hineingekommen sind.«
Wir wandten uns wieder Holger zu.
Er fuhr fort.
»Und genau danach fragte ich ihn, diesen Musikanten, er spielte übrigens die erste Geige. Wie um alles in der Welt haben Sie es geschafft, die Messingkugel von einem Bettpfosten da hinten rein zu kriegen? Aber darauf wollte er nicht antworten. Hat jemand Sie misshandelt?, fragte ich. Soll ich die Polizei benachrichtigen? Da begann er zu reden. Er hatte nach einem Konzert in der Losjen im Victoria Hotel übernachtet, ein Glas Wein auf seinem Zimmer getrunken und war eingeschlafen, aber im Laufe der Nacht muss er sich in bewusstlosem Zustand auf den Bettpfosten gesetzt haben, er schlief nämlich immer nackt.«
Gelächter.
»Und wie kam der Schnapskorken in den Hintern deiner Juliussen? Diagnose, Hval! Subjektiver und objektiver Bericht!«
Kannten sie ihren Namen auch?
Einen Moment lang wurde ich von einer heftigen, müden Sachlichkeit ergriffen.
»Ich glaube ganz einfach, dass sie grob misshandelt wurde«, sagte ich.
Stille am Tisch, genau so lange, wie meine Sachlichkeit währte.
Dann Flaschen. Gläser. Tabak. Jemand sitzt auf meinem Schoß und wiegt sich. Das muss eine Kellnerin sein. Es knistert in trockenen Scheinen. Sie bedient mich großzügig.
Es vergingen also einige Stunden, für die ich nicht garantieren kann. Dann rief Julius, oder Holger, vielleicht auch alle beide, mir etwas zu, ihre Gesichter dicht vor meinem, Schweißtropfen, rotgefleckte Wangen, glänzende Stirne, Augen, die verhangen und hellwach sind, aufgeweckt und gerissen zugleich, der heiße, hitzige Atem, Speichel, was riefen sie?
»Schwanz im Riesenrad, Hval! Schwanz im Riesenrad!«
Kurz gesagt, die Gesellschaft forderte von ihrem Mittelpunkt eine Rede. Ich war nicht abgeneigt und erhob mich. Augenblicklich wurde es still in der verrauchten, heißen Kneipe.
»Ein Prosit«, begann ich.
Ich kam aus dem Konzept, denn ich stellte fest, dass ich nichts hatte, womit ich hätte prosten können. Der Laborant schob mir ein Glas in die Hand.
»Ein Prosit«, fuhr ich fort. »Ein Prosit auf die Hausbediensteten, die Nachtigallen, die Kellnerinnen, die Soubretten, die Huren, die Bordsteinschwalben, die Mütter und die ganze Gynäkolokratie und, last but not least, auf sie, die ich morgen Nacht in bona fide penetrieren und lieben will, vom Bug und Heck und allen Kanten! Hurra!«
Dann hob ich mein Glas, leerte es bis auf den Grund und erinnere nichts mehr, bis ich im Leichenkeller erwachte, auch die Mäusehalle genannt, im Rikshospital, direkt neben Vigdis Juliussen.
EINE HOCHZEIT LÄUFT VOM STAPEL
Meine sogenannten Freunde hatten mir also in der Zwischenzeit einen kleinen Streich gespielt, wie es sich gehörte, etwas, über das sie in den kommenden Tagen noch viel würden reden können. Bernhard Hval im Schlafsaal in Anzug, Schuhen, mit Rose im Knopfloch, immer noch sturzbesoffen und Junggeselle. Aber um ehrlich zu sein: Es gibt schlimmere Orte, um aufzuwachen. So hätte beispielsweise ein putzmunteres weibliches Wesen neben mir liegen können, das sich Freiheiten herausgenommen hatte, nachdem mich die Dunkelheit in der Kneipe überfiel, aber es war Vigdis Juliussen, die auf dem nächsten Tisch lag, und sie war richtig tot und ungefährlich. Trotz der Kopfschmerzen und einer ansonsten, fachlich betrachtet, erbärmlichen Verfassung, kam mir dennoch in den Sinn, dass es vielleicht keinen besseren Ort gab, um nachzudenken, als einen Leichenkeller. Alle sollten sich hier einmal eine Nacht gönnen. Mit anderen Worten: Ich schreckte also nicht voller Panik auf, schrie wie am Spieß und weckte die Toten, wenn es das war, was diese Scherzkekse und Spaßvögel sich gedacht hatten, nein, ganz im Gegenteil. Ich blieb ruhig auf meinem Platz liegen und starrte an die Decke. Es war an der Zeit, eine Art Rechnung aufzumachen, das Konto zu betrachten, die eigenen Entscheidungen unter die Lupe zu nehmen und zum Schluss zu sehen, ob es einen gewissen Ausgleich gab oder die Entscheidungen ins Minus tendierten. Nachdem Vater tot war, zogen wir wie gesagt hinunter in den Skovveien, in den Vogelkäfig, wie Mutter es höhnisch und unglücklich nannte, aber trotz allem hatte sie immer noch
Weitere Kostenlose Bücher