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Die Uno

Die Uno

Titel: Die Uno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Dieter Wolf
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Staatsmacht
    Die terroristischen Angriffe des 11. September 2001 erschütterten das Grundvertrauen in die Schutzfunktion des souveränen Territorialstaates. Die Erfahrung des Staatsversagens bei der Bereitstellung des öffentlichen Gutes «Sicherheit» hatte damit auch die Welt der OECD-Staaten erreicht, in der Staatsversagen zuvor allenfalls im Zusammenhang mit der Bewältigung der Folgen der wirtschaftlichen Globalisierung zum Thema geworden war. In anderen Teilen der Welt, vor allem dort, wo Bürgerkriege bereits zum Zusammenbruch der staatlichen Ordnung und zu einem quasi-staatlichen Regiment rivalisierender privater Warlords geführt hatten, war die Krise der souveränen Staatlichkeit längst allgegenwärtige Realität. Der transnationale Terrorismus konfrontierte das von seinen bröckelnden Teilen her infizierte Staatensystem aber nun mit einer besonders radikalen Form privatisierter Gewaltanwendung, die weder von Staaten ausging, noch sich auch direkt gegen Staaten richtete.
    Mit der Privatisierung von Gewalt war auch die Tragfähigkeit wesentlicher Grundpfeiler des kollektiven Sicherheitssystems der Vereinten Nationen infrage gestellt: Zum einen musste es sich darauf verlassen können, dass die darin eingebundenen Staaten ihre Staatlichkeit auch effektiv ausüben können. Zum anderen war es nun mit Friedensbrechern konfrontiert, die sich überhaupt nicht unmittelbar an die Einhaltung zwischenstaatlicher Regeln binden ließen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das kollektive Sicherheitssystem ausgerechnet zu einem Zeitpunkt wieder funktionsfähig geworden war, als es aufgrund der radikalen Veränderung des sicherheitspolitischen Problemhaushalts zumindest so nicht mehr gefragt zu sein schien.
    Das Kriegsgeschehen hat sein Gesicht grundlegend verändert. Es ist von einer gewaltsamen Konfliktaustragung geprägt, derenwesentliches Unterscheidungsmerkmal zum herkömmlichen Krieg darin besteht, dass sich dabei keine regulären staatlichen Armeen mehr gegenüberstehen, sondern mindestens auf einer Seite irreguläre bewaffnete Gruppen, Warlords, militärische Befreiungsbewegungen oder transnationale Terroristennetzwerke involviert sind. Diese privaten Akteure sind keine Vertragsparteien des humanitären Völkerrechts und daher rechtlich auch nicht daran gebunden.
    Die verheerende Logik dieser Ungleichartigkeit der Kriegsparteien besteht in einem schleichenden Zerfall des normativen und institutionellen Rahmens, der unter maßgeblicher Beteiligung der Vereinten Nationen für die Wahrung von Sicherheit und Frieden geschaffen wurde. Der Kriegserfolg der staatlichen Armeen scheint an die Übernahme der Kampfpraktiken ihrer nichtstaatlichen Kontrahenten geknüpft zu sein. Sie werden genötigt, ihrerseits die grundlegenden Regeln des humanitären Völkerrechts zu missachten. Für diese Fehlentwicklung stehen Guantanamo Bay oder die russische Tschetschenien-Politik, aber auch der Nahost-Konflikt. Dort ist an die Stelle der zwischenstaatlichen Kriege zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten inzwischen eine dauerhafte gewaltsame Auseinandersetzung zwischen der israelischen Armee und palästinensischen Widerstandsgruppen getreten, in deren Verlauf sich die Kampfhandlungen beider Seiten immer mehr angeglichen haben. Zwischen gezielten israelischen Raketenattentaten auf palästinensische Führer und palästinensischen Selbstmordanschlägen auf die israelische Zivilbevölkerung besteht kein legitimatorischer Unterschied mehr.
    Noch ein weiterer Aspekt des Wandels des Kriegsgeschehens wirft Probleme für die Friedenssicherungsfunktion der Vereinten Nationen auf: die Verlagerung des Kriegsgeschehens in das Innere der Staaten. Da bewaffnete Auseinandersetzungen einer Staatsmacht mit – je nach Standpunkt – Rebellen oder Terroristen auf ihrem eigenen Territorium in der Regel von dieser zu einer
innerstaatlichen
Angelegenheit erklärt werden, ist eine Intervention von außen gegen den Willen des darin verwickelten Staates nur mit einem erhöhten Begründungsaufwand möglich.Um zur Beendigung eines Bürgerkrieges Zwangsmaßnahmen ergreifen zu können, muss der Sicherheitsrat zuerst eine Gefährdung der Sicherheit über die Grenzen des betroffenen Staatsgebietes hinaus feststellen. Dieser Umweg wurde beispielsweise im Fall der militärischen
peace-enforcement
-Aktion in Somalia beschritten. Sie sollte zwar der Beendigung der sich dort abspielenden humanitären Katastrophe dienen, eine völkerrechtliche Grundlage

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