Die unschuldige Geliebte
nicht sah, wie gefährlich ihr Gefängnis war.
Sein
Herz klopfte schneller. Er war bei ihr. Er hielt sie in den Armen und
beschützte sie, so wie er es die ganze Zeit hätte tun
sollen. Mit einer Hand umfasste er ihr Gesicht und strich ihr übers
Haar, während er sie mit der anderen an sich presste.
Da
sie noch immer benommen war, sagte sich Suzy, dass sie sich Lucas'
Liebkosungen nur einbildete, dass ihre Fantasie mit ihr durchging.
Trotzdem streckte sie die Hand aus, um ihn zu berühren. Die
Dunkelheit und die Intimität der Situation ließen sie alle
Hemmungen vergessen. Der Schutzwall, den sie um sich errichtet hatte,
stürzte ein.
"Ich
bin so froh, dass du hier bist! Ich dachte schon, ich würde hier
sterben." Nun hatte sie es doch ausgesprochen.
Sein
Schweigen ließ sie noch mehr zittern.
"Wir
kommen doch hier raus, oder, Lucas?" Es konnte nicht anders
sein. Sonst wäre Lucas nicht zu ihr gekommen und hätte sein
Leben riskiert.
Er
zögerte etwas zu lange, bevor er ruhig erwiderte: "Ja,
natürlich. Aber möglicherweise dauert es noch eine Weile."
"Eine
Weile?" Ihr Herz begann schneller zu klopfen. "Aber wenn es
nicht sicher ist, was …? Warum …?" Plötzlich
war ihr Mund ganz trocken.
"Ich
muss mich bei dir entschuldigen, Suzy", erklärte Lucas
lässig. "Und dies ist die perfekte Gelegenheit dafür,
weil ich dich ganz für mich allein habe."
Ihr
war klar, dass er sie aufzuheitern versuchte. Bittersüße
Gefühle erfüllten sie.
Es
gab so vieles, was er Suzy sagen wollte, doch ihm war bewusst, dass
die anderen jedes Geräusch und jedes Wort mithören konnten.
Es war also kaum der richtige Zeitpunkt, um von Liebe und Bedauern zu
sprechen.
Als
er ihr Handgelenk berührte, wollte Suzy ihn offenbar fragen, was
er da tat, aber er brachte sie zum Schweigen, indem er ihr den Finger
auf die Lippen legte. Dann nahm er den Sender und wickelte etwas
darum.
"Was
…?" begann sie, sobald er fertig war.
"So
etwas nennt man normalerweise eine Wanze", bemerkte er trocken.
"Du
hast mich abgehört?"
Ihr
gequälter Tonfall ging ihm durch und durch. "Ich hatte
keine andere Wahl", antwortete Lucas leise und seufzte. "Ich
muss mich bei dir entschuldigen, Suzy."
"Du
hast nur deine Arbeit gemacht."
Dass
sie ihn dafür in Schutz nahm, veranlasste ihn, sich grimmig zu
fragen, wie er je an ihr hatte zweifeln können. Sie war so
grundehrlich.
"Wie
lange müssen wir hier unten noch ausharren, Lucas?"
"Ich
weiß nicht", gestand er. "Geht es dir gut? Ich habe
dir Wasser mitgebracht, und die Männer werden einen Luftschlauch
durch den Tunnel führen."
"Einen
Luftschlauch?" Wieder begann Suzy zu zittern. "Heißt
das, für den Fall, dass der Tunnel einstürzt?"
Genau
das hatte er gemeint, und Lucas verfluchte sich innerlich, weil er
ihr noch mehr Angst gemacht hatte.
"Es
ist nur eine Vorsichtsmaßnahme", versuchte er, sie zu
beruhigen.
Suzy
fühlte sich ganz schwach, und außerdem war ihr übel.
Selbst in Lucas' Gegenwart war ihr noch beklommen zu Mute.
"Wir
könnten hier drinnen sterben", sagte sie in einem Anflug
von Panik.
"Denk
nicht daran", riet er ihr energisch.
"Sprich
mit mir, Lucas", bat sie, um sich abzulenken.
"Worüber
soll ich denn reden?" fragte er.
"Erzähl
mir von den Kindern, die du gerettet hast."
Noch
immer konnte sie nicht richtig glauben, dass Lucas tatsächlich
bei ihr und sie nicht mehr allein war. Sie musste seine Stimme hören,
um ihre Furcht zu unterdrücken.
Lucas,
der spürte, was in Suzy vorging, zögerte und veränderte
dann ihre Position, damit sie ein wenig bequemer lag. Als er merkte,
wie niedrig ihre Körpertemperatur war, runzelte er die Stirn.
Die
Kinder! Sie waren das Letzte, woran er in dieser Situation denken
wollte, aber wie konnte er Suzy etwas abschlagen?
"Was
möchtest du über sie wissen?" fragte er deshalb.
"Alles",
erwiderte sie. "Aber sag mir zuerst, ob es ihnen jetzt gut
geht."
"Sie
erholen sich allmählich", meinte er langsam, "und
irgendwann werden sie mit der richtigen medizinischen Betreuung
hoffentlich in der Lage sein, in ihre Heimat zurückzukehren und
ein halbwegs normales Leben zu führen. Raschid, der kleine
Junge, hat einen Arm verloren." Er spürte ihre Anspannung
und verfluchte sich dafür, dass er es ihr erzählt hatte.
"Halek, dem kleinen Mädchen – sie ist noch ein Baby –
geht es gut", fügte er hinzu.
"Und
ihre Eltern – ihre Mutter?" erkundigte Suzy sich
vorsichtig. Sie war sich nicht sicher, warum sie den Drang verspürte,
ihn
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