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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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einem Hinweis um.
    »Ja und? Sie ziehen diesen Schluss, weil auf diesem verdammten Umschlag keine Briefmarke klebt? Ist das alles?«
    »Sie haben mich gefragt, was ich weiß … «
    Mit gerunzelter Stirn musterte Jacques das Gesicht des Journalisten.
    »Nein, Sie spielen nicht mit offenen Karten … Wir wissen, dass Sie als Mittelsmann für die Verhandlungen fungieren.« Er beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Jetzt werden Sie uns sagen, wie Sie Kontakt aufnehmen mit Umaru Atocha.«

135
    In der Küche bahnte sich Umaru Atocha einen Weg zwischen seinen Männern hindurch. Die Söldner, die sich mit verschränkten Armen an die Wand lehnten, erwarteten schweigend seine Anweisungen. Auf dem Tisch lagen verstreut zwischen aufgerissenen Kartoffelchipstüten Knarren, Karten und Pokerchips. Umaru hob einen Chip auf und ließ ihn über die Pokertischauflage rollen.
    »Ihr wisst schon, dass Naïs eine schwere Vergiftung hat. Sie wird in wenigen Stunden sterben, wenn wir nichts tun.«
    Megan, die an einen Stuhl gefesselt war, bemerkte die Blicke, die die Söldner miteinander wechselten. Sie misstrauten ihrem Anführer, und diese Veränderung entging Umaru nicht.
    »Wir müssen sie ins nächstgelegene Krankenhaus bringen«, fuhr er fort. »Das Estee Medical Centre in Port Harcourt ist unsere einzige Chance.«
    »Aber da werden uns die Bullen auf die Pelle rücken!«
    »Das ist ein Risiko, das wir eingehen müssen.«
    Einer der Männer schüttelte den Kopf.
    »Die werden uns abknallen!«
    »Tut mir leid, Chef, aber er hat recht«, sagte ein anderer. »Wir wissen nicht mal, ob das Lösegeld eines Tages überhaupt gezahlt wird. Warum also sollen wir uns in die Höhle des Löwen begeben, hä?«
    Umaru versteifte sich und versuchte, nichts von seinen Emotionen erkennen zu lassen.
    »Sie werden zahlen.«
    »Bei allem Respekt, Chef, die Leier hören wir seit Monaten. Und Billy Bob sagt, dass das nichts mehr wird … «
    »Er sagt auch, dass sie, wenn sie bis jetzt nicht gezahlt haben, nie zahlen werden. Vielleicht sollten wir die ganze Sache abblasen … « Der Mann warf einen Blick in Richtung Megan und Pater David. »Wir lassen sie verschwinden, und damit hat sich’s.«
    »Wo ist er? Wo ist Billy Bob?!«, brüllte Umaru und griff nach einer Waffe auf dem Tisch.
    Die Söldner schlugen die Augen nieder.
    »Er ist rausgegangen, Boss … «
    »Ohne meine Erlaubnis?«
    Sie schwiegen und begnügten sich damit, zu nicken und ein wachsames Auge auf die stumpf schimmernde Beretta zu haben. Umaru betrachtete ebenfalls die Waffe, und Megan glaubte, dass er sie aufs Geratewohl an die Schläfe eines Mannes setzen und abdrücken würde. Aber er tat es nicht. Er rührte sich nicht, sein Blick folgte lediglich den Winkeln und Geraden des Metalls, dann legte er die Pistole in aller Ruhe wieder auf den Tisch. Er verließ die Küche. Die Söldner schwiegen weiterhin und verharrten an ihren Plätzen, aber ihre Gesichter verrieten Angst und Resignation, und ihre Augen kehrten unentwegt zu der Waffe zurück, die zwischen aufgedeckten Karten und roten und goldfarbigen Pokerchips lag. Sie zuckten zusammen, als die Stimme Umarus im Nebenzimmer widerhallte.
    »Macht euch fertig, wir brechen auf.«

136
    Das Meersalz hatte die Fassade des Hotels angegriffen, die Farbe weggeätzt und die hölzernen Teile der Fenster zerfressen. Benjamin strich mit den Fingern über die winzigen Löcher in den Fensterläden und fragte sich, ob die Ursache dieser Löcher tatsächlich das Salz oder aber Gewehrschrot war. Als er unter dem Fingernagel etwas Metallisches spürte, entschied er sich für die zweite Hypothese.
    Vom Balkon aus hatte man eine hervorragende Aussicht auf Port Harcourt, eine Stadt mit architektonischem Wildwuchs, wo kein Haus zum anderen passte. Der Norden der Stadt und das Geschäftsviertel waren von einem Nebel eingehüllt, der hie und da himmelblau getupft war. Buntscheckige Townships zogen sich an dem Meeresarm entlang bis zum Industriehafen, auf dessen Kais sich gelöschte Container stapelten. Am Horizont spuckten Erdölplattformen, die wie riesige Spinnen über das Wasser aufragten, schwarze Rauchfahnen und Flammen aus. Der orangene Widerschein der Hochfackeln auf dem Meer wogte im Rhythmus des Seegangs, und Wellen brachen sich am Deich und warfen weiße Gischtteppiche auf die Felsen.
    Benjamin suchte mit den Augen die Häuser und Gebäude ab und hoffte auf ein Wunder. Ja, er hoffte, hinter einer dieser Scheiben Megan zu entdecken,

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