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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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Jugend verloren zu haben glaubte.
    »Ich … ja … «, stammelte die Pflegerin, »auf der anderen Seite der Hofes.«
    Mit der Schulter stieß er die Pendeltür auf und eilte mit schnellen Schritten in den Gemeinschaftsraum.
    Ein Stück vom Fenster entfernt, beobachtete Jacques vorsichtig den in Dunkelheit gehüllten Hof des Waisenhauses. Die am anderen Ende des Raums versammelten Kinder warfen panische Blicke um sich, und kleine Urinlachen besudelten den Boden. Benjamin stellte sich rechts neben seinen Kollegen und spähte seinerseits in die Finsternis.
    Die weißen Spiegelungen der Neonlampen auf der Scheibe verhinderten jedoch eine klare Sicht, und abgesehen von einem fahlen Fleck an der Stelle, wo der Geländewagen von MSF stand, erkannte er nur eine gleichförmige schwarze Zone. Hinter den Fenstern des westlichen Seitenflügels leuchteten Lampen auf, und menschliche Gestalten drückten sich neugierig an die Scheiben.
    »Haben die Wachen geschossen?«
    »Ich weiß nicht … «, flüsterte Jacques. »Ich hab nichts gesehen …«
    Ein schriller Alarm hallte in dem Moment wider, in dem die Lichter im Gebäude ausgingen. Die Außenscheinwerfer blitzten grell auf, ähnlich wie eine platzende Glühbirne, und Funken regneten auf die Rasenflächen herab. Lautes Kindergeschrei begrüßte die totale Finsternis.
    Die beiden Ärzte sahen draußen das weit offen stehende Tor und, in der Nähe der Wachhäuschen, die von dem fahlen Mondschein umrissen wurden, zwei ausgestreckte menschenähnliche Gestalten. Da sie, als das Notstromaggregat ansprang, von den aufleuchtenden Neonröhren geblendet wurden, sahen sie nicht die Schatten, die dicht an der Mauer entlangliefen. Ein gedämpftes, gräuliches Licht hüllte den Gemeinschaftsraum ein.
    »Wir müssen die Kinder über die Rückseite des Gebäudes rausbringen«, sagte Benjamin.
    »Ist der Ausgang abgeschlossen?«
    Eine Krankenschwester näherte sich ihnen zitternd.
    »Ja, der Direktor hat die Schlüssel in seinem Büro … «
    »Ich werde ihn suchen. Sie … «, wies er die Pflegerin an, »klappern die Schlafzimmer ab und holen alle raus. Jacques, du kümmerst dich um die Kinder.« Er drehte sich zu den Waisenkindern um. »Hört zu! Wir werden … «
    Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Er sah, wie ein Ausdruck panischen Schreckens auf die Gesichter von Jacques und der Krankenschwester trat. Ihre weit aufgerissenen Augen fixierten etwas in seinem Rücken.
    Als er sich umwandte, kreuzte sein Blick den eines Mannes, der hinter dem Fenster stand, das Gesicht unter einem Tagelmust, der Kopfbedeckung der Tuareg, verborgen. Die reglose Gestalt hielt den Direktor des Waisenhauses an den Haaren fest und trug eine Pistole in der rechten Hand. Der Beamte wirkte schlaff, sein linkes Auge war geschwollen, Blut tropfte vom Mundwinkel herab und zeichnete seltsame Arabesken auf sein Hemd.

14
    Benjamin ahnte den Aufprall. Mit einer jähen Geste zog der Mann den Kopf des Direktors nach hinten und schleuderte ihn dann nach vorn, als ob er ein Stein wäre. Die Scheibe zerbarst in tausend Splitter, die sich über den Boden verteilten. Der Direktor stöhnte auf und brach zusammen, sein Kinn prallte mit voller Wucht gegen das Fensterbrett, rubinroter Speichel sprenkelte die Glasscherben.
    »Wo ist sie?«, fragte der Mann und näherte sein Ohr dem Direktor.
    Der schien nach Silben zu ringen, stieß jedoch nur ein unverständliches Gluckern aus. Der Mann hob langsam das Bein und drückte mit seinem ganzen Gewicht die Sohle seines Militärstiefels auf die Wange seines Opfers. Die Kehle gegen das Fensterbrett gedrückt, spuckte der Direktor lange Speichel- und Blutfäden aus. Seine Augen drohten aus den Höhlen herauszuplatzen. Der Mann verminderte den Druck.
    » Wo ist sie?«, wiederholte er.
    Er drückte sein Ohr an den Mund des Sterbenden und lauschte aufmerksam dem, was dieser noch stammeln konnte. Der Mann nickte zufrieden. Drei Gestalten, die sandfarbene Tarnmasken trugen, gesellten sich zu ihm. Benjamin wich zurück, als er die halbautomatischen Waffen in ihren Händen sah. Der Mann steckte seine Waffe in das Holster an seiner Hüfte und versetzte dem Direktor einen Tritt gegen die Schläfe.
    »Erledige ihn!«, befahl er einer der Gestalten.
    Diese gehorchte stumm, richtete das Gewehr auf den Körper und schoss zweimal. Das Weinen der Kinder im Gemeinschaftsraum wurde stärker.
    Der Mann schnaubte und stieg über den Fensterrahmen hinweg. Die Glasscherben knirschten unter seinen Stiefeln. Er

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