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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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umzudrehen.
    Benjamin sah sein Gesicht flüchtig im Rückspiegel. Graues Haar und ein kurz geschnittener Bart rahmten ein vornehmes Gesicht ein, das eines etwa sechzigjährigen Mannes, der mehr einem ehrwürdigen Professor als einem Kindesentführer glich. Henry Okah klappte die Armlehne auf und nahm Kokain heraus, das er auf einem Taschenspiegel verteilte.
    »Ein Arzt von Médecins Sans Frontières , nach dem, was er sagt.«
    »Warum hast du ihn mitgenommen?«, fragte der Mann, ohne das Spiegelbild Benjamins aus den Augen zu lassen.
    »Ich wusste nicht, ob ich ihn umlegen sollte … « Okah beugte sich vor und schnüffelte das Dope. »Ich habe mir gedacht, dass du die Entscheidung treffen willst«, sagte er, während er sich die Nase zuhielt.
    Er lachte laut auf und ließ sich gegen die Rückenlehne fallen.
    Eine Zeit lang sprach niemand. Die Stille wurde untermalt von dem Glucksen Okahs und dem Knistern der Zigarette, die der Fahrer rauchte. Benjamin verlor nach und nach jegliche Vorstellung von Zeit und Entfernung. Was immer ihm zustoßen würde, er konnte es nicht verhindern.
    Draußen verteilte eine Gruppe von Fischern in Flachkähnen Laternen im Schlick eines Sumpfes. Als die drei Fahrzeuge vorüberfuhren, hoben sie die Köpfe, und einer von ihnen winkte gemächlich mit der Hand, um sie zu grüßen. Benjamin betrachtete die orangefarbenen Lichthöfe der Laternen, ihren Widerschein und den des Mondes auf dem schieferfarbenen Wasser. Der Dunst, der die Boote umhüllte, nahm ebenfalls warme Farbtöne an. Wieder fing er den Blick des Mannes im Innenspiegel auf. Er hatte ihn unentwegt angestarrt, wie wenn er jede noch so flüchtige mimische Regung interpretieren wollte.
    »Sie scheinen keine Angst zu haben«, sagte er plötzlich.
    Benjamin antwortete nicht.
    »Wissen Sie, wer ich bin?«, fuhr der Mann fort.
    »Ja.«
    »Und wer bin ich Ihrer Meinung nach?«
    »Sie sind Yaru Aduasanbi und Sie … « Er wandte sich nach links. »Henry Okah, ich habe Ihre Fotos in den Zeitungen gesehen. Sie sind die Anführer einer Terrorgruppe.«
    »Terroristen?«, stieß Okah aus. »Wir sind Widerstandskämpfer, Onkel Doktor, keine Terroristen. Das ist ein kleiner Unterschied, der uns wichtig ist.«
    »Sie wissen also, wer wir sind, aber wir, wir wissen nicht, wer Sie sind. Wie heißen Sie?«
    »Benjamin Dufrais.«
    »Monsieur Dufrais, haben Sie eine Ahnung davon, was heute Nacht passiert ist?«
    Die Stimme des Führers der MEND war bedächtig, seine Diktion elegant, beinahe geziert.
    »Ja, zum Teil.«
    »Haben Sie die Absicht, anderen von den Ereignissen, deren Zeuge Sie wurden, zu erzählen?«
    »Das kommt darauf an.«
    »Worauf, Monsieur Dufrais?«
    »Darauf, ob es von meinem Schweigen abhängt, dass ich am Leben bleibe.«
    Yaru Aduasanbi deutete ein Lächeln an.
    »Sie sind ein vernünftiger Mensch, Herr Doktor.«
    »Ich tue mein Möglichstes, Herr General.«
    »Herr General«, wiederholte Yaru Aduasanbi, als erwachte er aus einem Traum. »Waren Sie in der Armee, Doktor?«
    »Ja, ich war Militärarzt.«
    »Warum sind Sie ausgestiegen?«
    Benjamin wandte den Blick ab, war sich aber bewusst, dass diese Ausweichbewegung seinem Gesprächspartner nicht entgehen würde.
    »Ein Mann, der nicht über seine Vergangenheit reden will, ist oftmals interessant … «, sagte der Anführer der MEND .
    »Auf mich trifft das nicht zu.«
    Aduasanbi bohrte nicht nach. Er öffnete das Fenster und schloss die Augen, als ein frischer Luftzug ins Innere drang. Die intensiven Gerüche der Natur vermischten sich – Düfte von Orangen und Baumrinden, von Farnen und Mangrovenbäumen. Die Nacht und der Tau vermehrten die Duftnoten des Dschungels, und die Feinheit dieser Aromen weckte Erinnerungen, die durch die Gewalt und die Schreie, die alltägliche Not zuerst entstellt und dann begraben worden waren. Benjamin wusste nicht, ob ihn einer dieser Männer umbringen würde, aber die von diesen Düften hervorgerufene Trunkenheit machte die Ungewissheit erträglicher.
    Aduasanbi wandte sich an den Fahrer.
    »Wir sind weit genug, halten Sie an.«
    Der Fahrer parkte den Jeep vorsichtig am Rand der Piste, wobei er unter den Reifen einige Stechginsterpflanzen zerquetschte und einen Schwarm Nachtfalter aufscheuchte. Die anderen Fahrzeuge taten es dem Führungsfahrzeug gleich. Das Quietschen der Bremsen vermischte sich mit dem Gepiepse unsichtbarer Vögel.
    Yaru Aduasanbi drehte sich um und sah dem Arzt zum ersten Mal ins Gesicht. Das matte Licht der Deckenleuchte

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