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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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blauem Filzstift geschriebenen Schriftzüge, die Stirn und Arme des Neulings bedeckten. Das gesamte medizinische Personal hatte sein Nickerchen ausgenutzt, um auf seiner Haut zu unterschreiben. Ein Initiationsritus. Und nach der Anzahl der Unterschriften und dem weit offen stehenden Mund Juniors zu urteilen, musste er tief ins Land der Träume entrückt sein.
    »Schläft er schon lange so?«
    »Seit gut zwei Stunden. Wir haben gewettet, dass er nicht vor Mittag aufwachen wird. Der Einsatz beträgt zwei Dollar. Bist du dabei?«
    »Ich glaube, da habt ihr verloren, Leute«, schimpfte Benjamin, während er sich anschickte, den jungen Assistenzarzt zu schütteln.
    Die Krankenschwester schob sich freundlich dazwischen und hielt ihm einen Zettel hin.
    »Lass den Armen doch schlafen, er ist gerade erst angekommen. Du weißt doch, wie der erste Tag hier ist.«
    »Dein gutes Herz wird dich noch zugrunde richten«, gab er klein bei, »aber wenn er in einer Stunde nicht wach ist, dann komm ich ihn holen, und ich brumme ihm eine Woche Dienst bei den Durchfallkranken auf.«
    Er nahm den Filzstift und unterschrieb rasch auf der Wange des jungen Mannes, der das Gesicht verzog, ohne indes aufzuwachen. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Notiz. Angehörige der Mambila aus dem Kamerun waren vom Roten Kreuz aufgegabelt worden. Insgesamt sieben Familien auf der Flucht. Nur noch Haut und Knochen. Die Gruppe war auf zwei Hilfsorganisationen aufgeteilt worden. MSF hatte zwölf Erwachsene erhalten, die Symptome von Infektionskrankheiten und Dehydrierung zeigten. Die Kinder waren ohne eingehendere Untersuchung in die Abteilung für Ernährungsmedizin aufgenommen worden. Laut den Mitarbeitern des Roten Kreuzes war es ein Wunder, dass sie nicht nur Leichen gefunden hatten.
    »Die Kinder wurden gestern Abend in der Abteilung für Ernährungsmedizin aufgenommen?«, fragte er. »Hat sie jemand gesehen?«
    Eine der jungen Frauen im weißen Kittel stach in den Arm eines Neugeborenen.
    »Ja, ich, kurz nach Mitternacht, als das Rote Kreuz sie abgeliefert hat. Werden uns ziemlich auf Trab halten, sag ich dir.«
    »Wie viele sind es?«
    »Gut dreißig. Bei zwölf haben wir eine Infusionstherapie mit Nährstofflösung begonnen. Drei Kinder sind innerhalb von zwei Stunden nach ihrer Ankunft gestorben, und fünf sind noch immer in einem kritischen Zustand.«
    Vom anderen Ende des Saals rief ein Krankenpfleger aus Quebec, ein Spaßvogel und Kraftprotz, dem ehemaligen Militärarzt etwas zu, während er nicht aufhörte, mit seinen Pranken an einem winzigen Baby herumzuhantieren.
    »He, Benji, eine Frau kommt zu ihrem Arzt und sagt: ›Doc, ich bin sehr beunruhigt. Ihr Kollege hat mir eine ganz andere Diagnose gestellt als Sie.‹ Darauf der Arzt: ›Ich weiß. Das ist immer so, aber die Autopsie wird zeigen, dass ich recht hatte.‹«
    Benjamin lächelte, als er den Raum verließ. Hinter ihm fuhr der Quebecer mit dem gleichen Schwung fort: »Wissen Sie, woran man auf einem Ärztekongress einen Gynäkologen erkennt? Er ist der Einzige, der seine Uhr am Oberarm trägt.«

49
    Benjamin schob den Vorhang zur Seite, der das Sprechzimmer in der Notaufnahme abteilte. Eine etwa zwanzigjährige junge Frau lag auf einer Liege, die notdürftig mit sterilem Papier bedeckt war. Sie hatte einen schmalen, langen Körper, und ihre dunkle Haut, die durch die strahlenden Farben ihres Kleides noch betont wurde, leuchtete im Morgenlicht.
    Aber die Schönheit dieses Anblicks wurde durch Striemen an den Schultern und sternförmige oberflächliche Wunden auf Brust, Bauch und den Innenseiten der Schenkel entstellt. Die schlimmsten Verletzungen hatte sie im Gesicht, das ganz aufgequollen war. Die Nachtschwester hatte sie auf dem Behandlungsplan als vorrangigen Fall eingestuft. Laut dem Aufnahmebogen war das Mädchen eine Prostituierte, die am Ufer des Yobe River arbeitete. Ein Freier hatte sie schwer misshandelt, bis sie sich nicht mehr rührte. Eine ihrer Kolleginnen hatte sie in die Krankenstation gebracht. Benjamin krempelte seine Ärmel hoch und streifte sich Handschuhe über.
    »Wie heißt du?«, fragte er, während er eine Kompresse mit einem Antiseptikum tränkte.
    »Kesiah … «, murmelte die junge Frau und wich instinktiv zurück, als er sich ihr näherte.
    Benjamin hielt in seiner Handbewegung inne, ehe er sie flüchtig berührte, und setzte sich neben sie. Nachdem er fünfzehn Jahre lang in den Streitkräften extreme Notfälle medizinisch versorgt hatte, hatte sich

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