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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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Behandlungszimmers und kam auch schon herein, die Arme beladen mit Rollen sterilen Papiers. In ihrer rechten Hand hielt sie eine mit bunten Perlen bestickte kleine Handtasche aus Stoff.
    »Nehmen Sie das! Ich hab sie im Gang gefunden.«
    Benjamin machte die Tasche auf; er suchte, ohne große Hoffnung, nach Ausweispapieren. Er legte ein Päckchen Taschentücher, Kondomverpackungen, ein zusammengeknülltes Foto und eine ebenfalls mit Perlen bestickte Brieftasche auf den Tisch. Im Innern befanden sich einige Geldscheine und ein Pass.
    »Kesiah Felidi«, las er mit lauter Stimme. »Ich weiß, wer das ist. Sie finden sie auf der Aufwachstation.«
    Er übergab die Tasche der Krankenschwester. Er griff mechanisch nach dem Foto auf dem Tisch und sah das Gesicht eines Mannes, das einen unangenehmen Eindruck in ihm weckte. Er entfaltete das Foto, und der Eindruck wurde noch stärker, als er das Paar erkannte, das vor dem Objektiv posierte.
    Getrocknete Blutschlieren verkrusteten das Foto, aber Benjamin achtete nicht weiter darauf. Er hatte nur Augen für Yaru Aduasanbi und Naïs. Er atmete schwer.
    »Doktor? Alles in Ordnung?«
    Er nickte, lehnte sich gegen den Tisch und atmete langsam ein. Nach der Befreiung aus der Gewalt seiner Entführer hatte er geglaubt, die Erinnerung an die Angst und die im Dschungel verbrachten Nächte rasch hinter sich lassen zu können. Sechs Monate lang hatte er Albträume gehabt, in denen ihn die Phantome des Deltas verfolgt hatten. Dann hatten die Panikattacken aufgehört. Nach nicht einmal einer Woche war er zu einem neuen Feldeinsatz aufgebrochen. Aber seit etwa einem Monat waren die Symptome wieder da und störten seine Nachtruhe. Selbst das Kokain linderte seine Träume nicht mehr.
    »Ich kümmere mich darum«, sagte er und nahm die Tasche aus den Händen der Krankenschwester. Er verließ das Sprechzimmer und durchquerte die Krankenstation. Seine Kollegen riefen ihm etwas zu, aber er hörte sie nicht. Die Stimmen, das Weinen, der Heidenlärm, der von draußen ertönte, das unaufhörliche Kommen und Gehen der Kolonnen von Land Rovern und Lkws von MSF – keines dieser Geräusche erreichte ihn. Er ging zwischen den Betten hindurch und überprüfte die Namen auf den Clipboards.
    »Wo ist sie?«, fragte er einen Krankenpfleger.
    »Wer?«
    »Die junge Frau, die in diesem verdammten Bett liegen sollte!«, regte er sich auf und zeigte mit dem Finger auf das leere Bett.
    Der Krankenpfleger zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung, Doktor.«

53
    »Guten Tag, ich bin Jacques Rougée, der Leiter dieser Station. Wie heißen Sie?«
    Die junge Frau starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als wäre sie bei einem Verbrechen ertappt worden.
    »Kesiah.«
    »Entschuldigen Sie meine Neugier, aber ich habe den Eindruck, Ihre Tochter schon einmal gesehen zu haben … Es ist absurd, ich weiß, aber … «
    »Meine Tochter?«
    Jacques öffnete den Mund, seinerseits überrumpelt, und runzelte die Stirn.
    »Sie sind nicht die Mutter dieses Kindes?«
    »Nein … Aber ich … «
    Sie suchte nach Worten, während sie aufstand.
    »Was machen Sie dann hier?«
    Kesiah warf einen Blick in Richtung der Flügeltüren und wich zurück. Jacques versuchte, sie zu beruhigen.
    »Ich will bloß wissen, ob Sie dieses Kind kennen.«
    Die junge Frau antwortete nicht; der Gedanke, dass sie die Aufmerksamkeit des medizinischen Personals auf sich ziehen könnte, versetzte sie in panische Angst. Jacques wurde ungeduldig und rief einen Krankenpfleger.
    »Schön, wir werden nicht den ganzen Tag damit verbringen. Bring sie raus.« Dann wandte er sich an alle: »Und in Zukunft sorgt bitte dafür, dass nur die Eltern hier reinkommen.«
    Er wartete, bis Kesiah nach draußen geführt worden war, und setzte sich neben das kleine Mädchen. Megan sah ihn an, ohne sein Verhalten zu verstehen. Auch das Kind sah ihn an, und seine tiefschwarzen Augen schienen den Arzt auszuforschen.
    »Das ist unmöglich … «, flüsterte er.

54
    »Du musst diese Patientin für mich finden«, sagte Benjamin. »Sie heißt Kesiah. Hast du’s dir eingeprägt?«
    »Kesiah«, wiederholte der Neuling.
    Sein pausbäckiges Gesicht war an den Stellen, wo er gerieben hatte, um das Gekritzel zu entfernen, von roten Flecken überzogen. Er starrte seinen Vorgesetzten an.
    »Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragte er.
    »Ja, ein Anfall von Müdigkeit. In einigen Minuten wird es mir besser gehen.« Benjamin fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und atmete ein.

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