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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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hatte ihm vom Ufer des Michigansees im Winter berichtet und von dem Haus in der Nähe des Golfplatzes, in dem sie aufgewachsen war. Sie hatte ihm von ihrer Ehe erzählt, ihren dunklen Tagen und von diesem endlosen Tunnel, in dem sich ihr Ehemann und sie verirrt hatten, ehe sie sich scheiden ließen.
    Sie hatte den Kopf auf seine Brust gelegt und ihm anvertraut, dass in ihr seit dem Tod ihrer Tochter jede Nacht – und jedes Mal zur gleichen Stunde – die Erinnerung an ihr Kind hochkam.
    »Ich sehe sie, bevor ich aufwache … Das geschieht genau in dem Moment, in dem ich nicht mehr weiß, ob ich schon wach bin oder noch schlafe. Es ist seltsam, aber in diesem Moment erscheint mir alles, was mich umgibt, vollkommen real, und doch gibt es immer irgendetwas, was nicht stimmt: einen Gegenstand, der nicht an seinem Platz ist, oder die Farbe der Tapete, die sich geändert hat. Genau zu diesem Zeitpunkt betritt Alison das Schlafzimmer und kommt auf mich zu. Immer in einem anderen Kleid. Sie kommt, und ich nehme sie in die Arme, obwohl ich weiß, dass sie nicht wirklich da ist, aber das spielt keine Rolle.«
    Er hatte sich damit begnügt, ihr über die Haare zu streichen, mit den Fingerkuppen flüchtig ihr ovales Gesicht zu berühren. Er hatte gewollt, dass sie seine Gegenwart spürte. Sie hatte ihre Wange an seiner Haut gerieben und seine Magengrube geküsst.
    »Mein Psychotherapeut sagt, ich würde das träumen, weil ein Teil von mir sie vergessen will, während sich ein anderer Teil weigert. Aus diesem Grund würde sie jedes Mal in anderer Kleidung erscheinen.« Ein Ausdruck des Zweifels huschte über ihr Gesicht. »Ich halte das für dummes Zeug, und ich glaube, dass er schlichtweg nicht weiß, warum ich das träume.«
    Vor dem Einschlafen hatte sie ein hölzernes Jo-Jo unter dem Kopfkissen versteckt, und Benjamin hatte nicht gewagt, sie zu fragen, was dieses Spielzeug für sie bedeutete.
    Er hörte Megan ein weiteres Mal stöhnen. Er hätte ihr gern zugeflüstert, dass er sein Bestes täte, um diese klaffende Wunde in ihrem Gedächtnis zu heilen, und dass er ihr zu diesem Zweck, wenn nötig, jede Nacht zuhören würde, dass sie sich in seine Arme kuscheln und ihm zum hundertsten Mal erzählen könne, wie ihr das Schicksal Fleisch von ihrem Fleisch, ihre Hoffnung, einfach alles genommen hatte.
    So schmerzlich diese Begegnungen im Reich der Träume auch sein mochten, so vermutete Benjamin doch, dass sie das schwache Band waren, das noch zwischen ihr und ihrem Kind bestand, zwischen ihr und dieser kleinen Alison mit ihren geblümten Kleidchen und ihrer Narbe in Form einer Münze auf der Stirn.

71
    »Was hat dich überzeugt?«
    »Wenn ich sage: deine Augen, ist das ein bisschen klischeehaft, oder?«, sagte sie, während sie die Tasse zum Mund führte.
    Benjamin lächelte unergründlich und strich ihr über die Schulter.
    »Ein bisschen«, gab er zu.
    Das Laken bedeckte Megans Brust, aber nicht ihre Schenkel, und Benjamin durchrieselte ein wonniger Schauer, als er an die Hitze dachte, die ihn überkommen hatte, als sie die Beine um ihn geschlungen hatte. Sie stellte die Tasse wieder ab.
    »Ich weiß nicht genau, warum ich mit dir gegangen bin«, sagte sie und betrachtete das Licht, das durch das Fenster fiel und die Umgebung unsichtbar machte.
    »Ich weiß nicht genau, warum ich es dir vorgeschlagen habe.«
    »Lügner … «
    Er beugte sich zu ihr hin, um sie zu küssen, getrieben von dem starken Verlangen, ein weiteres Mal seine Lippen auf den ihren zu spüren, aber er hielt inne, wohl wissend, dass die Aura der Nacht sie nicht mehr schützen würde. Sie bemerkte sein Zögern, deutete ein Lächeln an und füllte so die Leere zwischen ihren Atemzügen.
    »Wann fährst du weiter?«, flüsterte er.
    Megan streichelte sein Gesicht.
    »In ein paar Stunden.«
    Sie schwiegen und lauschten dem Lärm draußen, der ihnen in Erinnerung rief, dass jede Minute, die verging, sie dem Moment der Trennung näher brachte. Megan schenkte ihm mit halb geöffneten Augen ein vages Lächeln.
    Als sie zwischen den Zelten hindurchgingen, näherte sich Megan ihm und nahm ihn bei der Hand.
    »Willst du wirklich wissen … «
    Die Kühle seiner Finger an ihrer Handfläche stieg ihren Arm hinauf bis zur Schulter.
    »… warum ich mit dir mitgegangen bin?«
    »Ja … «, bekannte er flüsternd.
    Er fing sich wieder und sprach lauter, damit sie ihn auch hörte.
    »Ja.«
    Megan blieb vor den Räumlichkeiten von MSF stehen und sah ihm in die Augen. Sie

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