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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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Empfangsbereich und erkundigten sich an der Rezeption. Man sagte ihnen, sie sollten warten, dann, sie sollten dem Pagen folgen. Das Pärchen saß auf einer Terrasse mit Blick über den Hafen, sodass man die S. S. Île de France in ihrer schmucken Marineuniform sehen konnte, die karmesinroten Schornsteine schwarz umrissen. Klara überquerte die Terrasse, rief Elisabet beim Namen, und Elisabet erhob sich von ihrem Stuhl mit einem Gesichtsausdruck voller Überraschung und Erleichterung. Noch nie zuvor hatte Andras sie so glücklich gesehen, ihre Mutter zu erblicken. Und dann tat sie etwas Erstaunliches: Sie schlang Klara die Arme um den Hals und brach in Tränen aus.
    »Verzeih mir!«, schluchzte Elisabet. »Ich hätte nicht einfach so fortgehen dürfen! Ich wusste nicht, was ich tun sollte!« Und sie weinte an der Schulter ihrer Mutter.
    Paul beobachtete die Szene mit sichtlichem Unbehagen; verlegen nickte er Andras zur Begrüßung zu und bestellte dann eine Runde Getränke für alle.
    »Was hast du dir dabei gedacht?«, fragte Klara, als sie Platz genommen hatten. Sie streichelte Elisabets Wange. »Konntest du mir nicht den Trost eines ganz normalen Abschieds gönnen? Hast du geglaubt, ich schließe dich in deinem Zimmer ein und halte dich dort gefangen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Elisabet, immer noch weinend. »Es tut mir leid.« Befangen drehte sie an den abgeschnittenen Spitzen ihres Haars; ohne ihren langen blonden Zopf wirkte ihr Kopf sonderbar klein und nackt. Der Bob lenkte den Blick auf ihre blassen Lippen. »Außerdem hatte ich Angst. Ich wusste nicht, ob ich es ertragen könnte, mich zu verabschieden.«
    »Und du«, sagte Klara, an Paul gewandt. »Hast du deine Mutter auch so verlassen, als du nach Frankreich gingst?«
    »Ähm, nein, Madame.«
    »Na also. In Zukunft wirst du mich bitte so respektvoll behandeln wie deine eigene Mutter.«
    »Ich entschuldige mich, Madame.« Er wirkte aufrichtig reuig. Andras fragte sich, ob seine Mutter jemals in so einem Ton mit ihm gesprochen hatte. Er versuchte, sich in Gedanken Pauls Mutter vorzustellen, doch er brachte es nur zu einer Version der Baronin Kaczynska in Reithosen, eine Adlige aus dem sechzehnten Jahrhundert, deren komplizierte Abstammung und Geschichte er an der Schule in Debrecen hatte lernen müssen.
    »Willst du dich wirklich von einem Kapitän trauen lassen?«, fragte Klara ihre Tochter. »Wünschst du dir das?«
    »Das haben wir so beschlossen«, sagte Elisabet. »Ich finde das aufregend.«
    »Dann werde ich bei deiner Hochzeit nicht dabei sein.«
    »Du wirst mich sehen, wenn ich verheiratet bin. Wenn wir zu Besuch zurückkommen.«
    »Und wann, stellst du dir vor, wird das sein?«, fragte Klara. »Wann, meinst du, werdet ihr euch die Überfahrt über den Ozean wieder leisten können? Besonders für den Fall, dass die Eltern deines Mannes eure Verbindung nicht akzeptieren?«
    »Wir dachten, ihr würdet vielleicht in die Staaten kommen und dort leben wollen«, sagte Paul. »Um den Kindern nahe zu sein, wenn wir welche bekommen.«
    »Und was ist mit unseren eigenen Kindern?«, fragte Klara. »Vielleicht wird es nicht so einfach für uns, einfach mal über den Atlantik zu kommen.«
    »Was für Kinder?«
    Klara sah Andras an und nahm seine Hand. »Unsere Kinder.«
    »Maman!«, sagte Elisabet. »Du kannst doch nicht ernsthaft planen, Kinder mit ihm …!« Sie wies mit dem Daumen auf Andras.
    »Warum nicht? Wir haben darüber gesprochen.«
    »Aber du bist une femme d’un certain age !«
    Klara lachte. »Wir haben alle ein gewisses Alter, oder? Du zum Beispiel bist in einem Alter, in dem es unmöglich ist, sich vorzustellen, wie man mit zweiunddreißig das Gefühl haben kann, am Anfang seines Lebens zu stehen und nicht am Ende.«
    »Aber ich bin dein Kind«, sagte Elisabet und sah aus, als würde sie jeden Moment wieder weinen.
    »Aber natürlich«, entgegnete Klara und schob eine kurze blonde Locke hinter Elisabets Ohr. »Deshalb bin ich ja auch hierher gekommen. Ich konnte dich nicht übers Meer fahren lassen, ohne mich richtig von dir zu verabschieden.«
    »Mesdames«, sagte Andras. »Entschuldigt bitte. Ich glaube, Mr. Camden und ich machen jetzt einen Spaziergang und lassen euch allein.«
    »Genau«, sagte Paul. »Wir gehen runter und schauen uns das Schiff an.«
    Es war alles ziemlich überwältigend; für Pauls Geschmack hatte es zu viele Tränen gegeben, und Andras war bei der Erwähnung zukünftiger Kinder ganz schwindelig geworden. Beide waren

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