Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
Rosen und eine Kiste Champagner bereitstehen würden.
»Zum Glück hast du dir deinen Hut auffrischen lassen«, sagte Andras. »Stell dir vor, was es gekostet hätte, einen neuen zu kaufen!«
Am Abend speisten sie alle zusammen auf der Terrasse eines Restaurants mit Meerblick. Sie aßen frische Muscheln in Tomatensauce und gebratenen Fisch mit Zitronen und Oliven und tranken dazu zwei Flaschen Wein, unterhielten sich über ihre Kindheitsträume und die fremden Länder, die sie in ihrem Leben noch sehen wollten: Indien, Japan, Marokko. Es war fast wie im Urlaub. Zum ersten Mal seit Wochen war Klara heiterer Stimmung, als könne sie durch die Wiedervereinigung mit Elisabet die lange gefürchtete Trennung doch noch abwenden. Aber es blieb bei der neuen Vereinbarung: Am Morgen würden Elisabet und Paul in See stechen. Und als es später wurde, bemerkte Andras eine vertraute Nervosität in sich aufsteigen, eine Spirale, die sich jeden Tag ein wenig straffer aufgedreht hatte: Es war die Angst, dass Klara, wenn Elisabet fort war, auch irgendwie verschwinden würde, als ob die Spannung zwischen Mutter und Tochter das war, was sie beide im Erdboden verankerte.
Nach dem Essen im Hotel trennten Andras und Klara sich für die Nacht. Klara würde in Elisabets Suite schlafen, während Paul und Andras sich ein einfaches Zimmer unterm Dach teilten. Als Klara bonne nuit sagte, legte sie ihre Hand wie ein Versprechen an seine Wange; er schlief mit der Hoffnung ein, dass ihr zukünftiges gemeinsames Leben Balsam für ihre Trauer sein möge. Doch als er in der Morgendämmerung nach unten ging, entdeckte er sie allein auf der Veranda, den Staubmantel über den Schultern. Sie schaute zu, wie das rosafarbene Licht an den Schornsteinen der Île de France emporkletterte. Lange Zeit blieb er in der Glastür stehen, ohne an Klara heranzutreten. Ein Wechsel der Gezeiten. Ihre Tochter brach auf. Mit nichts würde er je ersetzen können, was ihr genommen wurde.
Um acht Uhr gingen sie an den Kai, um sich von Paul und Elisabet zu verabschieden. Das Schiff sollte um zwölf Uhr ablegen; die Passagiere mussten um neun Uhr an Bord gehen. Sie hatten Elisabet einen Strauß Kornblumen gekauft, den sie mitnehmen sollte, dazu ein Dutzend Gebäckteilchen und einen Zylinder voll gelber Kreppbänder, die sie flattern lassen konnte, wenn das Schiff losfuhr. Elisabet trug einen Strohhut mit rotem Band, und ihre blauen Augen glänzten vor Reisefieber.
Paul konnte es nicht erwarten, an Bord zu gehen und Elisabet zu zeigen, was er für sie vorbereitet hatte. Doch vorher bestand er darauf, dass der Schiffsfotograf ein Bild von den vieren zusammen am Anleger machte, die Île de France hoch aufragend im Hintergrund. Dann gab es eine kurze Aufregung wegen der Koffer, irgendein Kleidungsstück musste noch im letzten Augenblick herausgeholt werden. Zur angesetzten Stunde erscholl schließlich ein durchdringender Hornstoß von irgendwo oben am Gipfel des Schiffs, und die Passagiere, die noch nicht an Bord gegangen waren, drängten in Richtung Landungsbrücke.
Es war so weit. Klara nahm Paul beiseite, um ihm noch einige Worte mit auf den Weg zu geben, und Andras und Elisabet standen am Kai und schauten sich an. Er hatte sich nicht überlegt, was er in diesem Moment zu ihr sagen wollte. Er wunderte sich, dass er ihre Abreise tatsächlich bedauerte; beim Essen am Vorabend hatte er eine Ahnung davon bekommen, wie sie als Erwachsene sein könnte, und festgestellt, dass sie mehr von ihrer Mutter in sich trug, als er je vermutet hätte.
»Ich nehme nicht an, dass du traurig bist, weil ich gehe«, sagte sie. Doch sie sagte es auf Ungarisch und sah ihn mit einem gewissen Schalk in den Augen an.
»Stimmt«, sagte Andras und nahm ihre Hand. »Bist du noch nicht weg?«
Sie lächelte. »Sorg dafür, dass meine Mutter uns besucht, ja?«
»Mach ich«, versprach Andras. »Ich möchte auch New York sehen.«
»Ich schick dir eine Karte.«
»Gut.«
»Ich habe mich noch nicht an die Vorstellung gewöhnt, dass du sie heiratest«, sagte Elisabet. »Das macht dich zu meinem …«
»Sag es bitte nicht.«
»Gut. Aber hör zu: Wenn ich jemals erfahre, dass du ihr wehgetan hast, dann komme ich her und bringe dich um.«
»Und wenn ich höre, dass du diesem deinem strammen Ehemann wehgetan hast …«, begann Andras, doch Elisabet knuffte ihn in die Schulter, und dann war es Zeit für sie, sich von Klara zu verabschieden. Sie standen eng zusammen, Elisabet senkte den Kopf, sodass er
Weitere Kostenlose Bücher