Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
Tamás zu weinen, und Klara löste sich von ihrem Mann und ging zum Kind, um es zu beruhigen. Andras blieb bis zur Morgendämmerung wach und vollendete seine Arbeit. Am nächsten Tag war Klara stiller als sonst, äußerte aber keine weiteren Einwände. Irgendwann würde sie seine Beweggründe verstehen, dachte Andras, selbst die, die er nicht ausgesprochen hatte – die persönlicheren Motive, die in dem Unterschied lagen, seinem Schicksal ausgeliefert zu sein oder es in geringem Umfang selbst zu bestimmen.
Andras wusste, dass Eppler an jenem Abend, am Samstag, im Büro des Journal zu finden wäre, wo er die letzten Änderungen an der Sonntagsausgabe vornahm. Nach dem Essen packten Mendel und er ihre Entwürfe ein und stellten ihr Gesuch. Sie baten um Erlaubnis, jede Woche hundert Exemplare der Zeitung setzen und drucken zu dürfen. Sie würden nach Büroschluss kommen und die veraltete Handpresse verwenden, die das Journal nur noch für den Notfall verwahrte.
»Ihr wollt, dass ich euch Papier und Druckerschwärze schenke?«, fragte Eppler.
»Sehen Sie es als Beitrag des Jüdischen Journals zum Wohle der Zwangsarbeiter«, sagte Mendel.
»Und was ist mit meinem Wohle?«, gab Eppler zurück. »Unser Chefredakteur stöhnt jetzt schon unablässig über die Finanzen. Was soll ich ihm sagen, wenn unser Lager noch mehr schrumpft?«
»Sagen Sie ihm einfach, es läge an der Kriegsknappheit.«
»Es herrscht längst Kriegsknappheit!«
»Tun Sie es für Parisi«, sagte Mendel. »Die Vervielfältigungsmaschine verzerrt seine Zeichnungen ganz fürchterlich.«
Eppler betrachtete Andras’ Illustrationen durch seine schwache Hornbrille. »Kein schlechter Hitler«, sagte er. »Ich hätte Sie effektiver einsetzen sollen, als Sie für mich gearbeitet haben.«
»Sie werden mich effektiver einsetzen, wenn ich wieder für Sie arbeite«, sagte Andras.
»Wenn Sie uns Die Schiefe Bahn drucken lassen, dann schwört Parisi, dass er für Sie arbeitet, wenn er mit dem Munkaszolgálat fertig ist«, sagte Mendel.
»Ich hoffe, dass er wieder zur Hochschule geht, wenn er den Munkaszolgálat hinter sich hat.«
»Von irgendwas muss ich aber meine Studiengebühren bezahlen«, sagte Andras.
Eppler stieß einen langen Seufzer aus, holte ein großes Taschentuch hervor und wischte sich über die Stirn, dann schaute er zur Wanduhr hinüber. »Ich muss wieder an die Arbeit«, sagte er. »Ihr könnt fünfzig Abzüge von eurem Käseblatt machen, mehr nicht. Montags abends. Und lasst euch bloß nicht dabei erwischen!«
»Wir küssen Ihnen die Hand, Eppler-úr«, sagte Mendel. »Sie sind ein guter Mensch.«
»Ich bin ein verbitterter, desillusionierter Greis«, gab Eppler zurück. »Aber mir gefällt die Vorstellung, dass in einem unserer Druckerzeugnisse mal ein wahres Wort über die Verhältnisse hier steht.«
Als Andras und Mendel Major Varsádi die erste Ausgabe der Schiefen Bahn schenkten, dankte er es ihnen, indem er so heftig lachte, dass er sein Taschentuch hervorholen und sich die Augen trocknen musste. Er lobte sie, weil sie die schwierige Situation auf die leichte Schulter nähmen, und meinte, die anderen Männer könnten sich eine Scheibe von ihrer Einstellung abschneiden. Die richtige Einstellung, sagte er und zeigte zum Nachdruck mit seiner glimmenden Pfeife auf die beiden, könne jede Last erträglich machen. An jenem Abend kehrte Andras mit der Nachricht heim zu Klara, dass sie die Erlaubnis erhalten hatten, Die Schiefe Bahn zu veröffentlichen, worauf sie ihm widerwillig ihren Segen gab. Am nächsten Tag verteilten Mendel und er fünfzig Exemplare der ersten Ausgabe, die sich ebenso schnell verbreiteten und mit genauso viel Appetit verschlungen wurden wie die Erstausgaben der Schneegans und der Stechfliege . Es dauerte nicht lange, da begann Varsádi, die Zeitung den Munkaszolgálat-Offizieren vorzulesen, die zum Mittagessen zu Besuch auf den Verladebahnhof kamen; Andras und Mendel hörten das Gelächter vom künstlich aufgeschütteten Hügel hinunterhallen, wo die ausgedehnten Mittagessen stattfanden.
Jeder in Szentendre wollte in der Zeitung vorkommen, selbst die Vorarbeiter und Wachen, die im Vergleich zu Varsádi sehr ernst waren. Der Vorarbeiter ihrer eigenen Gruppe, Faragó, ein launischer Kerl, der gerne amerikanische Musicalmelodien pfiff, aber die schlechte Angewohnheit hatte, seine Leute von hinten zu treten, wenn er die Geduld verlor, zwinkerte Andras und Mendel beim Arbeiten verschwörerisch zu. Um ihm zu schmeicheln
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