Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
Vater!«, sagte József.
György Hász fixierte seinen Sohn mit einem kühlen, strengen Blick. »Kommt mit ins Haus!«, sagte er.
»Nein.« Es war die ältere Frau Hász, die das sagte, die Hände fest um die Armlehnen ihres Korbstuhls geklammert. »Klara hat verdient zu erfahren, was hier vor sich geht. Es ist Zeit, dass wir es ihr sagen.«
Klara blickte von József zu ihrer Mutter und dann zu György und versuchte zu verstehen, was das alles zu bedeuten hatte. »Das Haus gehört doch dir, György«, sagte Klara. »Wenn du es verkaufen willst, musst du einen sehr guten Grund dafür haben. Stimmt es denn? Verkaufst du es tatsächlich?«
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Klara«, sagte György. »Noch steht nichts fest. Wir können nach dem Essen darüber sprechen, wenn du willst.«
»Nein«, sagte die ältere Frau Hász erneut. »Wir werden jetzt darüber sprechen. Klara sollte in die Entscheidung eingebunden werden.«
»Es gibt aber keine Entscheidung«, sagte die jüngere Frau Hász. »Wir haben keine Wahl. Es gibt nichts zu diskutieren.«
»Das ist alles Lévis Schuld«, sagte József und sah Andras an. »Ohne ihn wäre das nicht passiert. Er hat sie schließlich überredet, nach Ungarn zurückzukommen.«
Andras fing Klaras fragenden Blick auf, dann den wütenden von József, und sein Herz galoppierte in seiner Brust. Er erhob sich und stellte sich vor József. »Hör auf deinen Vater«, sagte er. »Diskutiert das im Haus aus.«
Józsefs Lippen verzogen sich vor Bosheit. »Sag du mir nicht, was ich zu tun habe, Onkel.«
Tibor baute sich neben Andras auf und funkelte József böse an. »Pass auf, was du sagst!«
»Wieso soll ich ihn nicht Onkel nennen? Das ist er doch schließlich. Er hat meine Tante geheiratet.« József spuckte Andras vor die Füße.
Hätte Klara in dem Moment nicht nach Andras’ Arm gegriffen, er hätte József mit Sicherheit geschlagen. Er schwankte auf den Füßen, die Hände zu Fäusten geballt. Er hasste József Hász. Das hatte er bisher nicht gewusst. Er hasste alles, was er war, was er darstellte. Andras spürte, wie das zerbrechliche Gerüst seines eigenen Lebens den Schwerpunkt verlor und ins Wanken geriet. Es war József, der das getan hatte. Andras wollte dem Kerl die fein frisierten Haare ausrupfen, ihm das edle Baumwollhemd von der Brust reißen.
»Hinsetzen, beide!«, sagte die ältere Frau Hász. »Das ist die Hitze. Ihr seid überreizt.«
»Wer ist hier überreizt?«, rief József. »Ich verliere mein Elternhaus, das ist alles. Mutter hat recht: Es gibt nichts zu entscheiden. Es ist schon geschehen, und niemand hat mit mir darüber gesprochen. Alle haben mich im Dunkeln gelassen. Schlimmer noch: Ihr habt mir das Gefühl vermittelt, wir müssten meinetwegen die Möbel, die Gemälde, den Wagen und Gott weiß wie viel Geld fortgeben! Dabei haben wir die ganze Zeit für ihre Fehler bezahlt, für die von Klara und ihrem Mann!«
»Wovon redest du da?«, fragte Klara. »Inwieweit betrifft das Andras und mich?«
» Er hat dich hierher zurückgebracht. Du bist zurückgekommen. Die Behörden wissen jetzt seit fast drei Jahren Bescheid. Hast du geglaubt, du könntest dich ewig hinter deiner französischen Identität und deinem neuen Nachnamen verstecken? Wusstest du nicht, dass du die ganze Familie in Gefahr bringst?«
»Sag mir, was das zu bedeuten hat, György«, verlangte Klara von ihrem Bruder. Mit dem Kind auf der Hüfte drückte sie sich näher an Andras.
Jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, die Enthüllung zu umgehen. So kurz und knapp er konnte, schilderte György die Situation: dass Madame Novak Klaras Identität verraten hatte, dass man an György herangetreten war, dass er eine Lösung gefunden und gehofft hatte, die Gier der Behörden sei irgendwann befriedigt oder die Beamten seien der ganzen Angelegenheit müde, ehe er gezwungen wäre, das Haus aufzugeben, aber dass sie auf den Zahlungen beharrt und die Familie damit in ihre jetzige Lage gebracht hätten.
Während ihr Bruder sprach, wurde Klara blass. Sie legte die Hand auf den Mund und schaute von György zu ihrem Mann. »Andras«, sagte sie schließlich. »Seit wann wusstest du das?«
»Seit letztem Herbst«, antwortete er und zwang sich, sie dabei anzusehen.
Sie machte einen Schritt nach hinten und setzte sich auf einen der Korbstühle. »Oh, Gott«, sagte sie. »Du hast es gewusst und mir nichts gesagt. Die ganze Zeit nicht.«
»Andras wollte es dir sagen«, warf György ein. »Ich habe ihm
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