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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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und selbst das durch die hohen Wolken dringende Sonnenlicht altmodisch wirkte, entdeckten sie die meckernden Milchziegen im Hof, die an einem Berg süßen Heus rupften. Gebannt starrte der siebenmonatige Tamás die Tiere an. Er schaute zu Klara auf, wie um zu erfahren, ob er Angst haben müsse. Als er sah, dass sie lächelte, drehte er sich wieder zu den Ziegen um und wies mit dem Finger auf sie.
    »Unsere Jungen sind Stadtkinder«, sagte Tibor. »Als ich in seinem Alter war, hatte ich schon tausend Ziegen gesehen.«
    »Vielleicht sind sie nicht mehr lange Stadtkinder«, bemerkte Klara.
    Sie wandten sich von den Tieren ab und gingen über die Steinplatten zur Tür. Tibor klopfte, und Kleins Großmutter öffnete, das weiße Haar unter einem Kopftuch versteckt, das Kleid mit einer rot bestickten Schürze verdeckt. Aus der Küche drang der Geruch von Kohlrouladen. Andras, erschöpft von der Arbeit, bekam regelrechten Heißhunger. Kleins Großmutter winkte sie in das helle Wohnzimmer, wo der ältere Klein in einem Sessel saß, die Füße in eine Zinkwanne getaucht. Er trug denselben zerschlissenen karmesinroten Morgenmantel wie beim ersten Besuch von Andras und Tibor; sein Haar stand auf dieselbe flügelgleiche Art und Weise ab, so als wolle sein Kopf abheben. Nach Tee duftender Dampf wickelte sich um seine Beine. Zur Begrüßung hob er die Hand.
    »Mein Mann leidet unter entzündeten Fußballen«, erklärte seine Frau. »Sonst würde er aufstehen und Sie begrüßen.«
    »Ich heiße Sie willkommen«, sagte der alte Mann und verbeugte sich höflich, so gut es ging. »Nehmen Sie bitte Platz!«
    Frau Klein ging durch den porträtgesäumten Flur, um ihren Enkel zu holen. Keiner setzte sich hin, trotz der Aufforderung des alten Klein. Sie standen wartend Schulter an Schulter da, betrachteten die alten Möbel und die zahlreichen Fotografien im Zimmer. Andras beobachtete, wie Klaras Blick über die Aufnahmen der kleinen Familie schweifte – der Junge, wohl Miklós Klein als Kind, die schöne, geheimnisvolle Frau, der Mann mit den traurigen Augen –, und wieder hatte er das Gefühl, als lebe in diesem Haus das Gespenst eines lange zurückliegenden Verlusts. Auch Klara musste es gespürt haben; sie drückte Tamás enger an sich und fuhr ihm mit dem Daumen über den Mund, als wolle sie einen unsichtbaren Milchfilm abwischen.
    Klein folgte seiner Großmutter durch den Flur ins Wohnzimmer. Sie schlüpfte in die Küche; er trat herein, blinzelte ins Tageslicht. Andras fragte sich, wie lange es zurücklag, dass er zum letzten Mal seine Höhle voller Akten, Karten und Rundfunkempfänger verlassen hatte. Klein hatte dunkle Schatten unter den Augen, seine Haare waren fettig und wirr. Er trug ein Baumwollunterhemd und eine tintenverschmierte Hose. Seine Füße waren nackt. Er hatte eine Rasur nötig. Klein musterte die Besucher und schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er. »Nein, sage ich euch. Keine Chance.«
    »Ich mache einen Tee, solange ihr euch unterhaltet«, rief Kleins Großmutter.
    »Keinen Tee!«, rief er zurück. »Wir unterhalten uns nicht. Die gehen sofort wieder. Hast du verstanden?« Doch man hörte, wie der Küchenschrank geöffnet und wieder geschlossen wurde und Wasser in den metallischen Hohlraum einer Teekanne strömte.
    Klein hob die Hände zum Himmel.
    »Sei höflich«, sagte der alte Klein zu seinem Enkel. »Sie sind den ganzen weiten Weg gekommen.«
    »Was ihr wollt, ist unmöglich«, sagte Klein zu Andras und Tibor. »Unmöglich und illegal. Ihr könnt alle im Gefängnis landen oder sterben.«
    »Das wissen wir«, sagte Klara in einem Ton, der ihn aufforderte, sie anzusehen. »Trotzdem wollen wir los.«
    »Unmöglich!«, wiederholte Klein.
    »Aber Sie organisieren das doch«, sagte Andras. »Sie haben das schon oft gemacht. Wir können Sie bezahlen. Wir haben das Geld, zumindest bald.«
    »Nicht so laut!«, sagt Klein. »Die Fenster sind auf. Man weiß nie, wer zuhört.«
    Andras senkte die Stimme. »Bei uns eilt es inzwischen«, sagte er. »Wir möchten, dass Sie unsere Reise organisieren, und dann möchten wir den Rest unserer Familie nachholen.«
    Klein setzte sich auf das Sofa und barg den Kopf in den Händen. »Sucht euch jemand anders«, sagte er.
    »Warum sollen sie sich jemand anders suchen«, sagte sein Großvater. »Du bist der Beste.«
    Klein gab einen kehligen, frustrierten Laut von sich. Seine Großmutter hatte in der Küche die Vorbereitungen abgeschlossen und fuhr einen kleinen Servierwagen ins

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