Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
Zimmer, stellte ihn neben dem Sofa ab und goss Tee in antiquierte Herend-Tassen.
»Wenn du ihnen nicht hilfst, gehen sie wirklich zu einem anderen«, sagte sie mit leisem Vorwurf. Sie neigte den Kopf, hielt beim Einschenken inne und musterte Klara, als sei die Zukunft auf ihr gepunktetes Kleid geschrieben. »Dann gehen sie zu Pál Behrenbohm, aber der wimmelt sie ab. Als Nächstes versuchen sie es bei Szászon. Und dann bei Blum. Und wenn das alles nicht funktioniert, landen sie bei János Speitzer. Und du weißt, was dann mit ihnen passiert.« Sie verteilte die Tassen, bot Zucker und Sahne an und schenkte sich schließlich selbst etwas ein.
Klein schaute von seiner Großmutter zu Andras und Klara, Tibor und Ilana und den Kindern. Er wischte sich die Hände am Unterhemd ab. Er war ein Mann gegen alle. Kapitulierend hob er die Hände. »Das ist euer Ende«, sagte er.
»Setz dich bitte hin und trink deinen Tee«, sagte seine Großmutter. »Und Miklós, du brauchst nicht immer so schwarz zu sehen.«
Sie setzten sich um den Tisch und tranken den seltsam rauchigen Tee, den sie zubereitet hatte. Er schmeckte nach brennenden Wäldern und erinnerte Andras an den Herbst. Mit gesenkten Stimmen besprachen sie die Details: dass Klein die Fahrt über die Donau mithilfe eines Freundes organisieren würde, der einen Kahn besaß, dass die Familien in zwei raffiniert konstruierten Hohlräumen im Laderaum versteckt würden, dass sie mit Laudanum versetzte Milch vorbereiten müssten, damit die Kleinkinder nicht weinten, und dass sie Notrationen für eine zweiwöchige Reise mitnehmen müssten, weil eine Fahrt, die normalerweise nur wenige Tage in Anspruch nahm, zu Kriegszeiten viel länger dauern konnte. Klein würde Erkundigungen über Schiffe einholen müssen, die Rumänien verließen, würde nachfragen, wo und wie sie auf einem von ihnen an Bord gehen könnten. Es mochte einen oder zwei Monate dauern, die Reise vorzubereiten, wenn alles gut ging. Er, Klein, sei kein Betrüger, nicht so wie János Speitzer. Er würde für sie keine Fahrt auf einem unzuverlässigen Schiff buchen und ihnen auch nicht einen geringeren Nahrungsvorrat empfehlen, als sie wirklich benötigten, nur damit sie später zu überzogenen Preisen Proviant bei seinen Freunden kauften. Er würde sie keiner Mannschaft aussetzen, die ihnen das Gepäck stahl oder ihnen nicht erlaubte, an Land zu gehen und einen Arzt aufzusuchen, falls sie einen brauchten. Noch würde er falsche Versprechungen bezüglich der Sicherheit und dem Gelingen der Reise machen. Sie könnte jederzeit fehlschlagen. Das müsse ihnen allen klar sein.
Als Klein fertig war, lehnte er sich gegen das Sofa und kratzte sich durch das Hemd an der Brust. »So läuft es«, schloss er. »Eine anstrengende, riskante Reise. Keine Garantie.«
Klara beugte sich auf ihrem Stuhl vor und stellte ihre Tasse auf das Tischchen. »Keine Garantie«, wiederholte sie. »Aber zumindest haben wir eine Chance.«
»Ich werde nicht über eure Chancen spekulieren«, gab Klein zurück. »Aber wenn ihr meine Dienste immer noch wollt, bin ich bereit, die Sache zu übernehmen.«
Sie tauschten einen Blick aus – Andras und Klara, Tibor und Ilana. Sie waren bereit. Auf diesen Satz hatten sie gewartet. »Auf jeden Fall«, sagte Tibor. »Wir gehen jedes Risiko ein, das notwendig ist.«
Die Männer gaben sich die Hand und verabredeten ein weiteres Treffen in einer Woche. Klein verbeugte sich vor den Frauen und zog sich in den Flur zurück, von wo sie seine Zimmertür auf- und zugehen hörten. Andras stellte sich vor, dass er einen neuen Aktenordner aus einer Kiste nahm und ihren Familiennamen auf den Reiter schrieb. Der Gedanke erfüllte ihn plötzlich mit Panik. So viele Akten. Stapel davon, überall auf dem Bett, dem Schreibtisch, dem Sekretär. Was war mit diesen Menschen geschehen? Wie viele von ihnen hatten es tatsächlich nach Palästina geschafft?
Am nächsten Abend besuchte Klara ihren Bruder, um ihn um Verzeihung zu bitten. Zusammen mit Andras ging sie zu dem Haus auf der Benczúr utca, das Kind im Kinderwagen. In Györgys Arbeitszimmer nahm Klara die Hände ihres Bruders in ihre und bat ihn, ihr zu vergeben, zu verstehen, wie überrascht sie in dem Moment gewesen sei und wie unfähig, das zu würdigen, was er getan habe. Sie könne den Gedanken nicht ertragen, dass er bereits einen so großen Teil seines Vermögens verloren habe. Sie hätte den Verkauf ihres Hauses in Paris in Auftrag gegeben, erklärte sie ihm, und
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