Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
hielt sie fest. Küsste sie wieder. Zog seine dünne Jacke aus, löste die glänzend schwarzen Knöpfe ihres Mantels, schob ihn von ihren Schultern. Er stand mit ihr im Eingang, er küsste sie und küsste sie – zuerst ihre Lippen, dann ihren Hals am Abschluss des Kleides, dann die Mulde zwischen ihren Brüsten. Er löste das schwarze Seidenband in ihrer Taille. Das Kleid sackte zu einer dunklen Pfütze um ihre Füße zusammen, und sie stand vor ihm in einem roséfarbenen Unterkleid und Seidenstrümpfen, im Haar die rotgoldene Dahlie. Er vergrub die Hände in ihren dunklen Locken und zog sie an sich. Sie küsste ihn und schob die Hände unter sein Hemd. Er hörte, wie er ihren Namen sagte; wieder berührte er die Perlenreihe ihres Rückgrats, die Rundung ihrer Hüften. Sie presste sich an ihn. Es konnte nicht wahr sein; es war wahr.
Sie gingen nach oben in ihr Schlafzimmer. Solange er lebte, würde er sich daran erinnern: wie sie verlegen durch die Tür traten, seine feste Überzeugung, sie würde ihre Meinung ändern, seine Fassungslosigkeit, als sie das roséfarbene Unterkleid über den Kopf zog. Welch kurzen Prozess sie mit seinen peinlichen Sockenhaltern machte, seinen dürftig gestopften Socken, seiner bis zur Fadenscheinigkeit abgetragenen Unterwäsche. Die sanften Rundungen ihres Ballerinenkörpers, ihr säuberlich gerundeter Bauchnabel, der Schatten zwischen ihren Beinen. Die kühle Umarmung ihres Bettes, ihres eigenen Bettes. Die Weichheit ihrer Haut. Ihre Brüste. Seine Überzeugung, dass alles in einem peinlichen Augenblick vorbei sein würde, sobald sie ihn mit der Hand berührte; wie entschlossen er sich auf alles andere konzentrierte, als sie es tat. Das Wort baiser in seinem Kopf. Der unerträgliche Kitzel, sie tatsächlich berühren zu dürfen. Die erschütternde Hitze in ihr. In dem Moment hätte alles zu Ende sein können – die Stadt Paris, die Welt, das Universum –, es wäre ihm egal gewesen, er wäre glücklich gestorben, kein Himmel hätte weiter oder lichter sein können.
Danach lagen sie auf dem Bett, und er starrte an die Decke, auf das Muster aus flach gepressten Blumen und Blättern. Klara drehte sich auf die Seite und legte ihm die Hand auf die Brust. Eine samtige Schläfrigkeit drückte ihn aufs Bett, seinen Kopf auf das Kissen. Ihr Geruch war in seinem Haar, auf seinen Händen, überall.
»Klara«, sagte er. »Bin ich tot? Bist du noch da?«
»Ich bin noch da«, sagte sie. »Du bist nicht tot.«
»Was sollen wir jetzt tun?«
»Nichts«, sagte sie. »Einfach ein bisschen hier liegen.«
»Gut«, sagte er, und so lag er da.
Nach einigen Minuten nahm sie die Hand von seiner Brust und rollte sich von ihm fort, stieg aus dem Bett und ging hinaus in den Flur. Einen Augenblick später hörte er das Rauschen von fließendem Wasser und das tiefe Brüllen und Zischen eines Gasofens. Als sie wieder in der Tür zum Schlafzimmer erschien, trug sie einen Morgenrock.
»Ich habe uns ein Bad eingelassen«, sagte sie.
Das musste sie ihm nicht zweimal sagen. Er folgte ihr in das weiß gekachelte Badezimmer, wo Wasser in der Porzellanwanne dampfte. Klara ließ ihren Morgenrock fallen und stieg ins Wasser, und er sah ihr zu, sprachlos. Er hätte die ganze Nacht dort stehen und ihr beim Baden zusehen können. Ihr Bild brannte sich in seine Netzhaut ein: die kleinen, festen Brüste, das Flügelpaar ihrer Hüften, die glatte Fläche ihres Bauches. Und jetzt sah er im elektrischen Licht des Badezimmers etwas, das ihm vorher nicht aufgefallen war: eine halbmondförmige Narbe mit schwach sichtbarer Naht, direkt über dem sauberen dunklen Dreieck ihrer Scham. Er trat vor und berührte Klara. Mit der Hand fuhr er über ihren Bauch, hinunter zu der Narbe, und streifte sie mit den Fingern.
»Sie war eine schwere Geburt«, sagte Klara. »Letztendlich ein Kaiserschnitt. Sie war zu viel für mich, damals schon.«
Andras hatte eine ungewollte Vision von Klara als Fünfzehnjähriger, die sich auf einem Metalltisch aufbäumte. Das Bild traf ihn wie ein Güterzug. Seine Knie wollten nachgeben, er musste sich an der Wand abstützen.
»Komm zu mir!«, sagte sie und reichte ihm die Hand. Er stieg zu ihr in die Badewanne und versank im Wasser. Sie nahm einen Lappen und wusch ihn vom Kopf bis zu den Füßen, gab Shampoo in ihre Hände und massierte es in seine Kopfhaut. Dann liebten sie sich wieder, ganz langsam, im Wasser, und sie zeigte ihm, wie er sie berühren sollte, und er kam zu dem Schluss, dass sein Leben
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