Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
Schwierigkeiten gestanden, um zu wissen, dass es selten lief wie geplant.
Er berührte Klara an der Schulter. Sie schlug die grauen Augen auf und sah ihn an. »Was ist?«, fragte sie. Dann setzte sie sich auf und schlang die Daunendecke um sich. »Was ist passiert?«
»Nichts ist passiert«, sagte er und hockte sich neben sie. »Ich habe nur darüber nachgedacht, wie es mit uns weitergehen soll.«
»Ach, Andras«, sagte sie und lächelte schläfrig. »Bitte nicht. Über das Thema möchte ich momentan am wenigsten reden.«
So war es die ganze Zeit gewesen, wann immer einer von ihnen im Laufe der vergangenen Woche das Gespräch darauf gebracht hatte; sie hatten es beiseitegewischt, hatten sich davontreiben lassen und sich stattdessen neuen Wonnen hingegeben. Das war ganz einfach gewesen; ihr wahres Leben war ihnen weit weniger wirklich vorgekommen als das, was sie zusammen in der Rue de Sévigné führten. Doch jetzt war ihre Zeit so gut wie vorbei. Sie konnten dem Thema nicht länger ausweichen.
»Wir haben noch sechs Stunden«, sagte Andras. »Dann beginnt jeder wieder sein eigenes Leben.«
Sie schlang die Arme um ihn. »Ich weiß.«
»Ich möchte alles mit dir haben«, sagte er. »Ein richtiges Leben. Gott helfe mir! Ich möchte nachts neben dir liegen, jede Nacht. Ich möchte ein Kind mit dir.« So etwas hatte er noch nie laut ausgesprochen; er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss.
Klara schwieg lange. Sie ließ die Arme sinken, lehnte sich gegen die Kissen, legte ihre Hand in seine. »Ich habe schon ein Kind«, sagte sie.
»Elisabet ist kein Kind mehr.« Doch diese verletzlichen Schuhe unten im Schrank. Die bemalte Spieldose auf der Kommode. Die versteckten Zigaretten.
»Sie ist meine Tochter«, sagte Klara. »Sie ist der Sinn, für den ich seit sechzehn Jahre lebe. Ich kann nicht einfach ein anderes Leben beginnen.«
»Ich weiß. Aber ich kann auch nicht auf dich verzichten.«
»Obwohl es vielleicht das Beste wäre«, sagte Klara und schaute zur Seite. Ihre Stimme war fast zu einem Flüstern geworden. »Vielleicht wäre es das Beste, es bei dem zu belassen, was wir hatten. Der Alltag könnte alles verderben.«
Doch was wäre sein Leben ohne sie, nun da er wusste, wie es war, bei ihr zu sein? Er wollte weinen oder sie an den Schultern fassen und schütteln. »Und das hast du die ganze Zeit gedacht?«, fragte er. »Dass alles nur ein Spiel ist? Dass es vorbei ist, sobald der Alltag wieder beginnt?«
»Ich habe nicht darüber nachgedacht, wie es weitergehen würde«, sagte sie. »Ich wollte nicht. Aber jetzt müssen wir darüber nachdenken.«
Er stand auf und nahm sein Hemd und seine Hose von einem Stuhl. Er konnte Klara nicht ansehen. »Wozu soll das gut sein?«, fragte er. »Du hast ja schon beschlossen, dass es unmöglich ist.«
»Bitte«, sagte Klara. »Geh nicht!«
»Warum sollte ich bleiben?«
»Sei nicht böse auf mich«, sagte sie. »Geh nicht so davon.«
»Ich bin nicht böse«, sagte er. Doch er zog sich an, holte seinen Koffer unter dem Bett hervor und begann, die wenigen Kleidungsstücke einzupacken, die er von der Rue des Écoles hergebracht hatte.
»Es gibt Dinge, die du nicht über mich weißt«, sagte sie. »Dinge, die dir Angst machen oder deine Gefühle ändern könnten.«
»Stimmt«, sagte er. »Und es gibt auch eine Menge, was du nicht über mich weißt. Aber was spielt das jetzt für eine Rolle?«
»Sei nicht gemein zu mir«, sagte sie. »Ich bin so unglücklich wie du.«
Gerne hätte er ihr geglaubt, doch es konnte nicht sein; er hatte ihr sein Innerstes offenbart, und sie hatte sich ihm entzogen. Andras packte die letzten Sachen in den Koffer und ließ die Verschlüsse zuschnappen, dann ging er in den Flur und nahm seinen Mantel von der Garderobe. Sie folgte ihm zum Treppenabsatz, wo sie barfuß und barschultrig stand, die Decke um sich geschlungen, wie eine griechische Statue. Er knöpfte seinen Mantel zu. Er konnte nicht glauben, dass er die Treppe hinunter und durch die Tür gehen würde, ohne zu wissen, wann er sie wiedersehen würde. Er legte eine Hand auf ihren Arm. Berührte ihre Schulter. Zog an einer Ecke der Decke, sodass es sich von ihrem Körper löste. Im halb dunklen Flur stand sie nackt vor ihm. Er ertrug es nicht, sie anzusehen, ertrug es nicht, sie zu berühren oder zu küssen. Und so tat er, was noch einen Augenblick zuvor unvorstellbar gewesen war: Er ging die Treppe hinunter, vorbei an den Augen all jener kindlichen Tänzerinnen in den
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