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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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point par Eau, par Neige, ne par Glace,
Mais par senti un feu pareil au mien.
    Und als Klara nach einer schlaflosen, alkoholreichen Nacht gegen das Französisch des 16. Jahrhunderts protestierte, flüsterte Andras ihr eine andere Version ins Ohr, eine ungarische Stegreifübersetzung jener heißen Neckerei zwischen dem Dichter Marot und seiner Freundin: Spielerisch bewarf Anne ihn mit Schnee, der natürlich kalt war. Doch der Dichter spürte nichts als Hitze, weil er in ihren Armen lag. Wenn im Schnee ein verborgenes Feuer brannte, wie konnte er dieser Hitze entfliehen? Nur Annes Erbarmen könne die Flammen löschen. Nicht mit Wasser, Schnee oder Eis, sondern mit einem Feuer wie dem seinen.
    Als Andras am Nachmittag erwachte, lag Klara tief schlafend neben ihm, das Haar auf den Kissen verwirrt. Er stand auf, zog seine Hose an, wusch sich das Gesicht. Sein Kopf pochte. Er räumte die Reste des Essens vom Vorabend im Wohnzimmer auf, kochte Kaffee in der Küche, trank langsam eine schwarze Tasse und rieb sich die Schläfen. Er wollte, dass Klara aufwachte, dass sie bei ihm war, doch er wollte sie nicht wecken. Daher spülte er seine Tasse und streifte allein durch die Wohnung. Er ging durch das leere Esszimmer, wo sie zum ersten Mal gemeinsam zu Mittag gegessen hatten; er ging durch den Salon, wo er sie zum ersten Mal erblickt hatte. Er warf einen langen Blick in das Badezimmer mit seinem wundersamen Wasserboiler, wo sie stundenlang gebadet hatten. Schließlich blieb er im Flur vor Elisabets Zimmer stehen. Ihre gemeinsamen Rundgänge durch die Räume hatten sie nie dorthin geführt, doch jetzt stieß Andras die Tür auf. Das Zimmer war überraschend aufgeräumt; ihre Kleider hingen schlaff in einer Reihe im offenen Schrank. Zwei Paar brauner Schuhe waren darunter aufgestellt: links ein karamellfarbenes Paar, rechts eines in Kastanienbraun. Auf der Kommode stand eine hölzerne Spieldose mit Tulpen auf dem Deckel. Ein silberner Kamm klemmte aufrecht zwischen den Borsten einer silbernen Bürste. Ein leerer Parfümflakon leuchtete gelbgrün. Andras zog die oberste Kommodenschublade auf: gräuliche Baumwollunterwäsche und gräuliche Baumwollbüstenhalter. Einige Taschentücher. Ausgefranste Haarbänder. Ein zerbrochener Rechenschieber. Eine Kunstharztube, fest aufgerollt bis zur Tülle. Sechs mit einem Papierstreifen zusammengehaltene Zigaretten.
    Er schloss die Schublade und setzte sich auf den kleinen Holzhocker neben dem Bett. Er schaute auf die gelbe Tagesdecke, auf die Lumpenpuppe, die den stillen Raum bewachte, und stellte sich vor, wie wütend Elisabet sein würde, wenn sie wüsste, was in ihrer Abwesenheit geschehen war. Doch neben einem Gefühl des Triumphs spürte Andras auch eine vage Angst; wenn sie es herausfände, wäre sie alles andere als erfreut, das war ihm klar. Er wusste nicht, welche Auswirkungen Elisabets Zorn auf ihre Mutter haben könnte, doch zumindest war ihm bewusst, dass Klaras Bindung zu Elisabet weitaus stärker war als ihre zarten Bande zu ihm. Die Narbe auf ihrem Bauch erinnerte ihn jedes Mal daran, wenn sie sich liebten.
    Er verließ das kleine Zimmer und ging zu Klara, die noch immer schlafend auf ihrem zerwühlten Bett lag; das Kopfkissen, auf dem er geschlafen hatte, fest an sich gedrückt. Sie war nackt, ihre Beine waren in der Daunendecke verheddert. Im silbrigen Nordlicht des Winternachmittags sah er die feinen Fältchen in ihren Augenwinkeln, die zaghaften Zeichen ihres Alters. Er liebte sie, begehrte sie, bei ihrem Anblick regte es sich schon wieder in ihm. Er wusste, dass er sein Leben geben würde, um sie zu schützen. Er wollte sie mit nach Budapest nehmen und wiedergutmachen, welch schreckliche Verletzung ihr dort zugefügt worden war, wollte sie in den Salon jenes Hauses auf der Benczúr utca führen und zusehen, wie sie ihre Hände in die ihrer Mutter legte. Seine Augen brannten bei dem Gedanken, dass er nur zweiundzwanzig war, ein Student, der nichts Wesentliches für sie tun konnte. Das Leben, das er mit ihr in den vergangenen zehn Tagen geführt hatte, war nicht ihr wirkliches Leben gewesen. Sie hatten nicht gearbeitet, hatten sich um niemanden außer sich selbst gekümmert, nicht viel Geld gebraucht. Doch Geld war eine allgegenwärtige Sorge für Andras. Es würde noch Jahre dauern, bis er über ein festes Einkommen verfügte. Wenn sein Studium wie geplant verlief, würde es noch viereinhalb Jahre dauern, bis er Architekt war. Und er hatte schon genug erlebt und vor genug

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