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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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ätherischen Kostümen, öffnete die Tür und verließ Klara.

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    Zerbrochenes Glas

12.
Was im Atelier geschah
    DER UNTERRICHT BEGANN AM ERSTEN MONTAG im Januar mit einer zweitägigen Werkstatt. In einem Zeitraum von achtundvierzig Stunden mussten sie ein frei stehendes Wohnhaus mit fünfzig Quadratmeter Grundfläche entwerfen, das über eine Schiebewand, zwei Fenster, ein Bad und eine Küchenzeile verfügte. Sie sollten eine Vorderansicht des Gebäudes, einen Grundriss und ein Modell einreichen. Achtundvierzig Stunden, in denen jeder, dem das Projekt wichtig war, weder schlafen noch essen, noch das Atelier verlassen würde. Für Andras war das Projekt wie eine Droge, er spürte den Zeitdruck in den Adern, erwartete von seiner Aufgabe, ihn die zehn Tage mit Klara vergessen zu lassen. Er beugte sich über seinen Zeichentisch und machte die gekippte Ebene zur Landschaft seines Kopfes. Die Kritik am Gare d’Orsay zeigte Wirkung; er schwor sich, nie wieder vor dem Kurs gedemütigt zu werden, vor diesem selbstgefälligen Lemarque und den höheren Semestern. Gegen Ende seiner dreißigsten durchwachten Stunde betrachtete er seinen Entwurf und erkannte, dass seine Zeichnung das nur geringfügig geänderte Haus seiner Eltern in Konyár darstellte. Ein Schlafzimmer statt zwei. Ein Innenbad anstelle der Zinkwanne und des Klohäuschens. Eine moderne Innenküche. Eine Außenmauer war zur Schiebewand geworden; im Sommer konnte sie aufgeschoben werden, sodass das Haus sich zum Garten hin öffnete. Die schlichte weiße Fassade besaß ein in viele kleine Scheiben unterteiltes Fenster. In seiner zweiten schlaflosen Nacht verlieh Andras der Schiebewand eine Bogenform; geöffnet bildete sie so eine schattige Nische. In den Garten malte er eine steinerne Bank und ein glitzerndes rundes Schwimmbecken. Sein Elternhaus, verwandelt in ein ländliches Sommerhaus. Er hatte Angst, es könne lächerlich wirken und alle würden darin sehen, was es war: der Entwurf eines Hajduken-Jungen, grob und primitiv. In letzter Minute reichte er ihn dennoch ein und kassierte zu seiner Verwunderung ein anerkennendes Nicken und einen Absatz eng geschriebenen Lobes von Vago sowie die zähneknirschende Anerkennung selbst der abgebrühtesten Studenten aus dem fünften Jahr.
    Im Bernhardt bauten sie die Kulissen von Die Mutter ab und ließen für das Drama Fuente Ovejuna von Lope de Vega vorsprechen. Trotz Zoltán Novaks Bitten wollte Madame Gérard keine Rolle in dem neuen Stück übernehmen; ihr war bereits die Lady Macbeth im Théâtre des Ambassadeurs angeboten worden, und die Bezahlung war sehr viel besser. Andras war dankbar für ihren bevorstehenden Abschied. Er konnte sie nicht ansehen, ohne an Klara zu denken, ohne sich zu fragen, ob Madame Gérard wusste, was zwischen ihnen vorgefallen war. Am Tag vor ihrem Umzug ans Ambassadeurs half er ihr, ihre Garderobe in Kisten zu packen: den chinesischen Morgenmantel, das Teeservice, die Schminke, tausend Briefe, Postkarten und kleine Geschenke von Bewunderern. Dabei erzählte sie ihm von den Mitgliedern des neuen Ensembles, dem sie nun angehören würde; zwei von ihnen waren in amerikanischen Filmen aufgetreten, einer hatte mit Helen Hayes in Die Sünde der Madelon Claudet gespielt. Es fiel Andras schwer, ihr zuzuhören. Er wollte ihr berichten, was geschehen war. Bisher hatte er sich niemandem anvertraut; schon eine Offenbarung vor seinen Kommilitonen hätte alles irgendwie abgewertet, hätte es zu einer oberflächlichen, flüchtigen Affäre gemacht. Aber Madame Gérard kannte Klara; sie würde wissen, was es bedeutete. Möglicherweise könnte sie ihm sogar Hoffnung machen. Und so schloss Andras die Garderobentür und gestand ihr alles, ausgenommen die Angelegenheit mit dem Brief und Klaras Andeutungen über ihre Vergangenheit.
    Ernst hörte Madame Gérard zu. Als Andras endete, erhob sie sich und schritt über den grünen Teppich vor ihren Garderobenspiegel, als rufe sie sich einen Monolog in Erinnerung. Schließlich drehte sie sich um und stützte die Hände auf der Rückenlehne ihres Schminksessels ab. »Ich wusste es«, sagte sie. »Ich habe es gewusst, und ich hätte etwas sagen sollen. Als ich euch im Bois de Vincennes sah, wusste ich Bescheid. Das Mädchen war Ihnen völlig egal. Sie hatten nur Augen für Klara. Ich gebe zu« – Madame Gérard wandte den Blick ab, lachte wehmütig in sich hinein –, »so alt ich auch bin, ich war ein wenig eifersüchtig. Aber ich hätte nie

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