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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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auch den schweren Riegel in die Verankerung schob.
    »Bester Vitus«, begann Kaspar, »ich weiß, dass du dich mit meiner Schwester gestritten hast. Sie kann einen aber auch allzu leicht an den Rand des Irrsinns treiben.«
    Esther schnappte nach Luft, doch fiel ihr nichts ein, was sie dazu hätte sagen sollen.
    »Nur damit du beruhigt bist, es tut ihr alles furchtbar leid, und sie wird sich bei dir in aller Form entschuldigen.«
    »Moment mal, Kaspar, dafür sind wir doch wohl nicht gekommen.« Sie funkelte ihn wütend an.
    »Das hätte mich auch gewundert«, sagte Vitus und ging voraus in die Stube. Auf dem Tisch stand eine Flasche Wein. Sie hatte sich also nicht getäuscht. Er holte Zinnbecher für die beiden, Zeugen besserer Zeiten. Verstohlen fuhr er sich durch den zerzausten Schopf und versuchte das schwarze Haar wenigstens notdürftig in Ordnung zu bringen. »Gewiss seid ihr auch nicht gekommen, um Wein mit mir zu trinken, aber wo ihr nun schon einmal da seid …« Er bedeutete ihnen, Platz zu nehmen. Wortlos schenkte er ihnen und sich ein. »Auf einen unerwarteten Besuch.« Er hob seinen Becher und trank einen kräftigen Schluck. Als er den Becher abstellte, sagte er: »Es ist schön, euch zu sehen.« Dabei warf er Esther einen sanften Blick zu.
    Sofort hatte sie einen Kloß im Hals. Es war ihr unmöglich, etwas zu sagen. Sie lächelte ihn nur scheu an.
    Kaspar trank den Becher in einem Zug bis zur Hälfte aus.
    »Vitus, Esther hat mir nicht nur von eurem Streit berichtet, sie hat mir auch von eurem teuflischen und, wie ich meine, törichten Plan erzählt, euer Schicksal und das der Stadt Lübeck in die Hand zu nehmen, indem ausgerechnet Esther, eine Frau einfacher Herkunft, eine Fälschung niederschreibt.«
    Vitus sah sie fragend an. Sie waren sich einmal einig gewesen, Kaspar besser nicht einzuweihen, da er, einfältig, wie er war, den Mund womöglich im falschen Moment nicht halten würde.
    »Beruhige dich, Kaspar, dir dürfte doch klar sein, dass der Streit unseren Plan überflüssig gemacht hat. Du regst dich umsonst auf«, entgegnete er.
    »Das meinst du! Bloß hat Esther noch lange nicht Abstand davon genommen. Nein, denk dir, sie hält daran fest! Also, sie muss daran festhalten, weil dieser Feldling sie in der Hand hat.«
    »Felding, sein Name ist Felding.« Sie seufzte. »Er wusste von unserem Vorhaben, Vitus.« Sie sah ihn aufmerksam an. In seinem Gesicht war nacktes Erstaunen zu lesen. Er hatte sie nicht verraten. Natürlich nicht. Zum zweiten Mal an diesem Abend erzählte sie die Geschichte vom Auftauchen des Kölner Kaufmanns, davon, dass er sich zunächst als vermeintlicher Kunde ihr Vertrauen erschlichen und ihr dann von der Fälschung erzählt hatte, die er für Marold anfertigen lassen sollte.
    »Ich dachte, das sei ein Geschenk Gottes. Ich habe wirklich geglaubt, dass wir unsere Version des Schreibens abliefern könnten und Felding dafür Sorge tragen würde, dass sie dem Boten übergeben würde. Das wäre viel weniger gefährlich und kompliziert, als wir es zuerst vorhatten.« Niedergeschlagen erzählte sie, wie Felding dann sein wahres Gesicht gezeigt hatte. »Er wusste von meinem Vorhaben, und er wusste davon, dass ich es deinetwegen tun wollte.« Sie sah ihm in die Augen und schluckte. »Wenn ich dich und Kaspar heraushalten wollte, musste ich ihm sagen, dass ich schreiben kann. Er hatte gedroht, Kaspar an den Schauenburger zu verraten, selbst wenn er gar nicht genau wüsste, worum es bei der ganzen Sache ging. Und ich hatte doch von Norwid, dem Müller, erfahren, wie grauenhaft der Schauenburger dessen Schwester zugerichtet hat. Ich musste alles auf mich nehmen.« Sie spürte Tränen aufsteigen und kämpfte dagegen an.
    »Es muss Reinhardt gewesen sein, der sie an Felding verraten hat«, ereiferte sich Kaspar und streckte Vitus seinen Becher hin, damit er ihn erneut füllte. »Woher sonst soll er davon gewusst haben?«
    »Du hast es Reinhardt erzählt?«
    Esther fühlte sich elend. Vitus musste ja den Eindruck bekommen, sie habe jedermann den einst geheimen Plan verraten. »Er war wie ein Onkel, und ich brauchte Gallen von ihm. Ich hätte doch niemals geglaubt … Und ich wäre doch auch im Traum nicht darauf gekommen, dass er ausgerechnet etwas mit diesem undurchsichtigen Felding zu schaffen hat, der für Marold die Abschrift anfertigen soll.« Sie schwieg. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, könnte sie sich für ihre Arglosigkeit ohrfeigen. Aber damals?
    »Wie es scheint, hat

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