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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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dem Augenblick, als Reinhardt sich fragend zu ihm drehen wollte, holte Felding mit seiner Waffe aus. Ein gezielter Hieb durchtrennte Reinhardts Kehle. Die Augen des Sterbenden starrten Felding voll grenzenlosem Grauen an.
    »Welch ein Narr Ihr doch seid, wenn Ihr geglaubt habt, ich könnte Euch am Leben lassen«, sagte er kopfschüttelnd, während er einen Hocker an die Wand rückte. »Das war nicht möglich, bei allem, was Ihr wisst.«
    Er versetzte Reinhardt, der sich noch eben aus eigener Kraft aufrecht halten konnte, einen Stoß, so dass dessen Beine an den Hocker stießen und er darauf zusammenbrach. Felding bemerkte das blutige Schwert, das er noch immer in der Hand hielt. Er wollte es zurück in die Scheide gleiten lassen. Nein, besser, er verbarg es in seinem Ärmel und spülte es rasch draußen im Brunnen ab. Dann würde er zurückkehren und den Toten notdürftig verbergen, bis der Sendbote das Pergament geholt hatte. Danach brauchte er sich um die Leiche nicht weiter zu scheren. Er warf einen letzten schnellen Blick auf seine Fassung des Barbarossa-Privilegs.
    »Damit sind die Kölner vor den Lübeckern auf immer bessergestellt«, flüsterte er gehässig. »Als Lübecker Englandfahrer ist kein Geschäft mehr zu machen. Wollen doch mal sehen, ob die hübsche Esther da nicht einen anderen als ihren Bräutigam erwählt.«

[home]
    Lübeck, 18 . April 1226  – Reinhardt
    D ie Glocke verkündete die siebte Stunde. Als Reinhardt in die Depenau bog, sah er den Kölner Kaufmann bereits, der ebenfalls in diesem Moment eingetroffen zu sein schien. Er schluckte, sein Herz pochte. Worauf hatte er sich nur eingelassen? Im Stillen ging er zum wiederholten Male durch, was er zu tun vorhatte – das Dokument aus Feldings Hand empfangen, neben das von dem schwarzen Mann legen, den Lumpen in einem unbeobachteten Augenblick von einem Pergament über das andere ziehen, fertig.
    »Ich grüße Euch, werter Reinhardt. Dann wollen wir wohl mal zur Tat schreiten, was?« Der Kerl schien beste Laune zu haben. Kein Wunder, er hielt die Fäden in der Hand. Obendrein war er es sicher gewöhnt, derartige Geschäfte abzuwickeln, was auf ihn selbst keineswegs zutraf. Wenn doch nur alles längst vorbei wäre.
    »Ich grüße Euch, Felding. Eben schlägt die Glocke zur siebten Stunde«, sagte er unsicher. Er wollte rasch die Tür öffnen und hineinschlüpfen. Es musste ja nicht sein, dass jemand sie zusammen sah. »Der Riegel ist geschlossen, das Vorhängeschloss ist jedoch fort.« Er senkte seine Stimme. »Das bedeutet, jemand ist schon da.« Ob Kaspar bereits zu so früher Stunde an seinem Platz war? Das wäre ungewöhnlich. Dann schon eher Esther. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass das nicht der Fall war. Ihr wollte er am allerwenigsten begegnen.
    »Oder jemand war schon da. Ist das so ungewöhnlich?«, wollte Felding wissen. Das war es im Grunde nicht. Ja, wahrscheinlich hatte sie ein paar Utensilien für ihren Bruder geholt, damit er direkt zur Dombaustelle gehen konnte.
    Die Tür knarrte widerwillig, als er sie öffnete. Er ging voraus in den düsteren Raum und eilte umgehend zu seinem Pult, bevor Felding, der sich gottlob Zeit ließ, ihm auf den Fersen war. Der Anblick fuhr ihm durch die Glieder wie ein Blitz.
    »Was zum …?«, stieß er aus und biss sich im nächsten Moment auf die Zunge. Der alte Lumpen, den er über das Schreiben des schwarzen Mannes gelegt hatte, lag jetzt daneben. Er war sich ganz sicher, dass er das Schriftstück vollständig bedeckt hatte, als er das Skriptorium am Vortag verlassen hatte. Wer zum Teufel hatte in seinen Sachen geschnüffelt? War ihm jemand auf der Spur? O Himmel! Blitzschnell zog er den Leinenfetzen auf die kostbare Rolle. Doch was war das? Da war noch eine Rolle. Er hatte sie sehr wohl zugedeckt. Niemand hatte geschnüffelt, jemand hatte eine zweite Ausgabe hinzugelegt. Es gab zwei Dokumente!
    »Ist etwas nicht in Ordnung?« Felding schlenderte zu ihm hinüber.
    »Doch, werter Felding, alles ist bestens, bestens«, stammelte er. Was sollte er nur tun? Der Lumpen war zu klein, um zwei Schriftrollen zu verbergen, das war ihm sofort klar. Und wenn er sich jetzt lange daran zu schaffen machte, fiel die Fassung des schwarzen Mannes Felding in die Hände. »Ich will nur rasch ein wenig Ordnung machen.« Er griff danach und wollte sie einfach in das Regal legen. Das wäre am wenigsten augenfällig, hoffte er. Und weiter betete er, eine Gelegenheit zu bekommen, um die Rolle aus dem Regal

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