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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Sorge tragen, dass sie ihr Ziel erreicht. Ihr könnt mich nicht aufhalten.« Leise fügte er hinzu: »Zwei Jammergestalten, die sich selbst von Schweinen ins Bockshorn jagen lassen, halten mich gewiss nicht auf.« Was diese beiden Hasenfüße anging, so hatte er wohl recht. Sie hätten es nicht verstanden, ihn aufzuhalten. Unglücklicherweise hatte er die Rechnung ohne seinen alternden Körper und die Enge dieser elenden kleinen Schreiberwerkstatt gemacht. Magnus wollte das Pergament packen, dessen Versteck er soeben gelüftet hatte. Er bewegte sich dabei zu schnell, war nicht mehr so geschmeidig wie als junger Kerl und stieß mit aller Wucht gegen die Ecke des Möbels. Auch der Schmerz, der ihm durch sämtliche Glieder schoss, hätte ihm früher nichts anhaben können. In diesem Augenblick vernebelte er ihm jedoch beinahe die Sinne. Er krümmte sich für die Dauer eines Herzschlags. Schon diese kurze Zeit der Unachtsamkeit reichte diesem verfluchten Weibsbild, um mit wenigen Sätzen bei ihm zu sein, beide Fassungen an sich zu reißen und im nächsten Moment hinter einem der anderen drei Pulte Schutz zu suchen.
    »Ihr macht Eure Lage nur noch schlimmer«, rief er japsend. »Besser, Ihr gebt mir zurück, was Ihr unrechtmäßig an Euch genommen habt.« Es durfte nicht schwer sein, einem Frauenzimmer zwei Pergamente aus der Hand zu schlagen.
    »Lauf!«, hörte er da Vitus schreien. Dann spürte er, wie ihn etwas am Kopf traf. Er ging nicht zu Boden, nicht sofort. Und das durfte er auch nicht, denn er musste die flüchtende Tintenmacherin aufhalten. Eben wollte er auf sie losstürmen, da rammte dieser Vitus ihm sein ganzes Körpergewicht in die Seite. Ein Knirschen und Knacken, Magnus hatte keine Chance, seine Knochen waren mürbe. Er taumelte und stürzte schließlich doch. Lange dauerte es freilich nicht, bis er sich hochgerappelt hatte. Nur war es für ihn zu lange. Er hatte kostbare Zeit verloren, das würde er sich nie verzeihen.

[home]
    Lübeck, 18 . April 1226  – Esther
    E sther hielt mit einer Hand den gerafften Rock, mit der anderen presste sie zwei Pergamentrollen an ihre Brust. Kaum dass sie aus dem Querhaus getreten war, hatte sie ihre Trippen von den Füßen geschleudert und achtlos liegen lassen. Sie stolperte, taumelte, fing sich im letzten Moment ab und rannte weiter. Wohin? In ihrem Schädel hämmerte es. Immer wieder war da nur das eine Wort: Wohin? Nach Hause? Unmöglich. Der Kerl kannte den Weg.
    Hinter sich meinte sie das eigentümliche, vertraute Knarren der Skriptoriumstür zu hören, dann Schritte, schnell und schwer. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, stürmte voran in Richtung Salzhafen. Dort waren gewiss viele Menschen, Arbeiter, die ihr Tagewerk längst begonnen hatten. Und es gab Fässer und Säcke, ein großes Durcheinander, in dem man sich verbergen konnte. Die Glocke von St. Petri schlug zur achten Stunde.
    »Esther!« Das war Vitus. Sie wagte noch immer nicht, sich umzuschauen, und hastete weiter. Was, wenn der andere ihm dicht auf den Fersen war?
    »Esther, warte!« Er holte auf. Schon immer war er schneller als sie gewesen. Wann immer sie im Spaß ein kleines Wettrennen auf einer der Wiesen draußen auf der Allmende eines Dorfs veranstaltet hatten, war er ihr stets überlegen gewesen.
    Allmählich verlangsamte sie ihre Schritte etwas. Das Stechen in ihrer Brust wurde immer schlimmer, sie konnte kaum atmen. Zu gern hätte sie sich irgendwo verkrochen und ausgeruht. Als sie das Traveufer erreicht hatte, war Vitus mit ihr gleichauf.
    »Ich habe dafür gesorgt, dass er uns nicht so bald auf den Fersen ist«, stieß er aus, als kennte er ihre Gedanken genau. Auch er keuchte heftig. »Allerdings fürchte ich, allzu lange lässt er sich von einem Sturz nicht aufhalten.« Er hatte ihren Ellbogen gepackt und dafür gesorgt, dass sie stehen blieb.
    »Wir müssen weiter, irgendwohin, wo uns niemand findet.« Dann fiel ihr etwas ein. »Nein, wir müssen zu Marold. Wir müssen ihm die Urkunde bringen, andernfalls war alles umsonst!«
    »Du solltest beide erst einmal wieder in deinem Kleid verbergen, sonst verlierst du sie noch. Auch wäre es nicht gerade günstig, wenn jemandem eine Frau mit zwei Pergamentrollen auffiele.«
    Da hatte er recht. Sie blickte sich rasch um und stopfte die beiden Dokumente verstohlen in die Tasche, die sie eigens in ihr Kleid genäht hatte.
    »Wie kamst du nur auf den Einfall, ihm die Schreiben vor der Nase wegzuschnappen? Ich dachte, mich trifft der Schlag.« Er

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