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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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gesprochen. Wenn du mir sagst, was mit dir los ist, dann gilt unser Handel – Gallen gegen Eisen.«
     
    Esther fühlte sich elend. Am liebsten wäre sie nach Hause gegangen und hätte geschlafen. Sie war so schrecklich müde. Aber das ging auf keinen Fall. Wie gerne würde sie sich Reinhardt anvertrauen. Noch immer steckte ihr der Gedanke in den Knochen, dass sie das Skriptorium irgendwann nicht mehr mit den beiden älteren Schreibern würden teilen können. Einen der beiden, die sie wahrhaftig beinahe ihr gesamtes Leben kannte, nun anschwindeln zu müssen, machte die Sache nicht leichter. Im Gegenteil. Ihr war klar, dass Vitus nicht begeistert sein würde, wenn sie jemanden in den Plan einweihte, aber Reinhardt gehörte doch zu ihren engsten Vertrauten. Sie saß in einer schrecklichen Zwickmühle.
    »Schade, ich hätte dir gern geholfen.« Er zuckte mit den Schultern und machte Anstalten, die Gallen zurück in das Gefäß zu bringen. »Ich hätte dir nicht nur hiermit helfen wollen, sondern auch bei deinen Problemen, die du augenscheinlich hast. Aber zwingen kann ich dich nicht.«
    »Ein bisschen Hilfe kann ich wohl gebrauchen«, gestand sie leise. »Nur will ich dich doch nicht in eine Angelegenheit hineinziehen, die dir am Ende womöglich schaden könnte.«
    »Ist es so schlimm? Kaspar hat doch etwas angestellt, oder?«
    Sie hatte keine Wahl, sie musste sich ihm offenbaren. Dann bekäme sie, was sie brauchte, um weiterprobieren zu können. Was sollte schon geschehen? Reinhardt war für sie wie ein Onkel. Wenn sie ihn um Verschwiegenheit bat, würde er schweigen. Nicht einmal Otto gegenüber würde er ein Wort sagen, wenn sie das von ihm verlangte.
    »Also schön. Aber du musst mir dein Wort geben, bei deiner Seele, dass du niemandem davon erzählst, nicht einmal Otto. Und auch dein Weib und deine Kinder dürfen nichts erfahren.«
    »Esther, du machst mir allmählich wahrhaft Angst.« Nach einem Atemzug sagte er: »Erzähl es mir!«
    Sie ging zu ihrem Tischchen hinüber, auf dem Pigmente und Säuren, Honig und Harze in den verschiedensten Tiegeln und Schalen beisammenstanden. Sie bedeutete ihm, näher zu kommen, denn sie wollte dieses Gespräch, wenn es schon sein musste, so weit wie möglich vom Fenster entfernt und auch so leise, wie es eben ging, führen.
    »Du weißt, dass mein Herz dem anständigen Kaufmann und Englandfahrer Vitus Alardus gehört.« Sie sah prüfend in sein Gesicht, auf dem sich ein Lächeln zeigte. »Nein, es ist nicht, was du denkst. Wir haben nichts Unanständiges miteinander getan.«
    »Aber ihr würdet gern.« Er feixte.
    »Reinhardt!«
    Er machte die Miene eines Unschuldsengels, amüsierte sich dabei aber prächtig.
    »Du weißt gewiss auch von diesem Barbarossa-Schreiben, das dem Kaiser zur Bestätigung nach Parma gebracht werden soll«, flüsterte sie. Alle Farbe wich aus seinen Wangen. Er starrte sie an. War er derartig entsetzt, dass sie davon Kenntnis hatte? Das hatte sie nicht erwartet. »Ganz Lübeck spricht davon«, meinte sie. »Hinter vorgehaltener Hand, versteht sich.«
    »Wohl wahr«, stimmte er zu. Seine Stimme war eine Nuance leiser geworden, sein Antlitz wirkte noch immer unbeweglich und blass wie aus Sandstein gemacht.
    Esther erzählte von Vitus’ Schwierigkeiten, von der Benachteiligung der Lübecker Englandfahrer im Gegensatz zu denen aus Tiel und Köln. Sie schüttete ihr Herz darüber aus, dass aus ihrer Heirat nichts werden konnte, solange Vitus’ Geschäfte nicht besser liefen. Ausführlich schilderte sie jeglichen Zusammenhang und mühte sich redlich, Reinhardt dazu zu bringen, selbst auf den Gedanken zu kommen, dass nur ein ganz bestimmter Passus in dem erwähnten Dokument sämtliche Probleme lösen könnte, ohne jemandem zu schaden. Nur war Reinhardt natürlich viel zu anständig und kam leider nicht auf diese Idee. Weil er sie nur leer anblickte und hin und wieder zum Fenster schaute, ob auch niemand zu sehen war, der sie belauschte, musste sie sich schließlich offenbaren.
    »Vitus weiß von alledem nichts. Er würde es niemals gutheißen. Und auch Kaspar steckt nicht in der Sache drin. Es ist alleine mein Vorhaben«, erklärte sie ihm eifrig, nachdem er ihren Plan kannte.
    »Und wie willst du das alleine bewerkstelligen? Du kannst nicht schreiben«, stellte er verständnislos fest.
    So erleichtert sie einerseits war, Reinhardt in ihr Geheimnis eingeweiht zu haben, so erschrocken war sie andererseits, dass eine Offenbarung eine weitere nach sich ziehen

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