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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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dass er im Rathaus für den Baumeister schuftete und obendrein noch Frauenarbeit verrichtete. Er war mit seinen Kräften bald am Ende, da kam ihm das Angebot des Kölner Kaufmanns ganz recht. Der hatte ihn eines Tages im Skriptorium aufgesucht, als er dort gerade alleine war. Wenn er jetzt daran zurückdachte, meinte er, es könne nur Gottes Wille gewesen sein, dass er zu dieser Stunde einsam in der Schreibstube saß und diese Begegnung hatte. Also musste es doch auch in seinem Sinn sein, wenn Reinhardt beherzt die Gelegenheit ergriff, die sich da bot. Zunächst hatte der Mann, dessen Name Felding war, einen einfachen Auftrag in Aussicht gestellt.
    »Ich habe ein höchst offizielles Schreiben zuzustellen.« Das waren seine Worte gewesen. »Ist es wohl möglich, das Geschäft über Euer Skriptorium abzuwickeln?« Reinhardt hatte sich über die äußerst eigenwillige Ausdrucksweise gewundert. Erst hatte er angenommen, dass es sich um die ganz alltägliche Bitte handelte, ein Schreiben aufzusetzen. Dann hatte ihm gedämmert, dass mit diesem Handel etwas nicht stimmte. Der Lohn war hoch, sehr hoch, die Umstände finster. Er solle ihn zum Domherrn begleiten, wo sie gemeinsam vorsprechen würden. Das heißt, nein, nur er würde das Wort an Marold richten, Reinhardt solle höchstens zu allem nicken, keinesfalls Fragen stellen und schon gar nicht widersprechen. Dass es sich um einen Auftrag handle, den ein übereifriger Geselle als nicht gänzlich rechtmäßig bezeichnen könnte, hatte Felding zugegeben. Was er allerdings tatsächlich im Schilde führte, war Reinhardt bis zu dem Besuch bei Marold nicht klar gewesen. Dass er jedoch imstande war, mit einem Mann wie dem Domherrn ein Gespräch zu führen, ohne Scheu bei ihm vorzusprechen, obwohl der nicht gerade erfreut über den Besuch gewesen war, das hatte tiefen Eindruck auf Reinhardt gemacht. Und seine Sorge, die ihn im Lauf der Unterhaltung mit dem hohen Herrn befallen hatte, hatte Felding später auch zerstreuen können.
    Er blieb an der Ecke stehen, wo die Braunstraße auf den Pfad traf, der an der Trave entlangführte. Es hätte alles so einfach sein können. Felding würde ihm eine Rolle mit einem geheimnisvollen Pergament bringen, ein Bote würde sie bei ihm abholen, und dafür würde er reich entlohnt werden. Das Einzige, was er darüber hinaus tun musste, war schweigen. Nun hatte ihn auch Esther genau darum gebeten. Das Dumme war, dass sie mit ihrem Plan, den der Teufel ihr eingeflüstert haben musste, alles kaputt machen konnte. Zwar hatte sie ihm nicht verraten, wie sie das von Kaspar verfasste Schriftstück in die Hände der Sendboten bringen wollte, doch wenn ihr das tatsächlich gelänge, würde Felding ihm womöglich vorhalten, er habe die Geschichte vermasselt, ja, er habe gar mit Esther gemeinsame Sache gemacht. Was dann? Keine einzige Mark Silber würde er zu sehen kriegen. Er kannte Esther, seit sie ein brabbelndes und krabbelndes kleines Etwas war. Es tat ihm aufrichtig leid, ihr Geheimnis nicht für sich behalten zu können. Doch das war beim besten Willen nicht möglich. Er brauchte den in Aussicht gestellten Lohn, um nicht mehr so viel für den Baumeister zu arbeiten oder seiner Frau gar den Gang zum Medicus zu ermöglichen. Er blickte die Braunstraße hinab und hinauf. Nur ein Bursche, ein Bote vielleicht, verließ ein Kontorhaus und eilte davon. Ansonsten war niemand zu sehen. Rasch klopfte er an die Tür des Kölner Kaufmanns Felding.
     
    »Seid Ihr kopfalbern? Wie könnt Ihr mich in meinem Kontor aufsuchen?« Felding beendete gerade sein Mittagessen. Eine dicke Scheibe Roggenbrot diente ihm als Teller für ein Stück Braten, dessen kleiner Rest noch ganz köstlich duftete. Die Soße hatte das Brot vollständig durchtränkt, so dass auf dem Tisch, von dem er es nahm, um sich den letzten Bissen des Fleisches in den Mund zu schieben, ein dunkler, fettig glänzender Fleck zurückblieb. Die beiden Gesellen, die bei Reinhardts Eintreten noch still über Papiere gebeugt gewesen waren, hatte er eilig mit verschiedenen Anweisungen aus dem Haus geschickt. Jetzt konnte er sich ganz seinem ungebetenen Gast zuwenden. Er schnaubte vor Wut.
    »Aber wieso? Ihr habt doch selbst zu Marold gesagt, dass ich für Euch arbeite, dass Ihr mir alles beigebracht habt. Was soll verkehrt daran sein, wenn ich in Eurem Kontor ein und aus gehe?«
    Der Mann mit der spitzen Nase stutzte. »Wohl wahr«, sagte er dann und setzte sein verbindliches Lächeln auf. »Nun denn, was

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