Die unsichtbare Handschrift
herzlich zu einem bestimmt höchst interessanten Nachmittag. Ich verspreche Ihnen, Sie werden einiges zu schreiben bekommen.« Leises Gelächter hier und da. Neben ihr räusperte sich jemand. Da fiel ihr auf, dass Kayser vergessen hatte, Matthei vorzustellen. Natürlich waren in der Einladung zur Pressekonferenz sämtliche Teilnehmer genannt worden, doch war es ungehörig, ihn auszulassen, während Kayser sich selbst und Christa durchaus vorgestellt hatte. »Doch bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, habe ich die angenehme Aufgabe, Ihnen den Kollegen aus Sankt Augustin vorzustellen, dessen kompetenter Unterstützung wir einen guten Teil unseres Erfolgs verdanken.« Sie strahlte ihn an. Es war ihr ein Vergnügen, ihm ein wenig Honig um den Bart zu schmieren, denn er wusste nur zu gut, dass sie es nicht so meinte. Außerdem steckte doch ein Quentchen Wahrheit darin. Er hatte verlangt, dass sie das Dokument unter die Quarzlampe legte. Dadurch und schließlich mit Hilfe der Infrarot-Reflektografie hatte sie die fehlenden Buchstaben und Worte sichtbar machen können. Sie deutete auf den Kollegen, dessen Kieferknochen verräterisch hervortraten. »Carsten Matthei!«
Wie sie erwartet hatte, ergriff er das Wort. Mehr als eine Begrüßung gestand sie ihm jedoch nicht zu, sondern übernahm geschickt wieder, als er Luft holte. Sie beschrieb in wenigen Worten, wie in Köln gearbeitet worden war, welches Gefühl von ihr Besitz ergriffen hatte, als sie die Worte »Lübeck« und »Betrug« auf einem mittelalterlichen Pergament ausgemacht hatte. Kayser hatte ihr ans Herz gelegt, auch den emotionalen Aspekt nicht auszusparen. Journalisten mögen es, wenn es menschelt, waren seine Worte gewesen. Schließlich offenbarte sie, dass es sich bei dem Fund um das Vermächtnis des Kaufmanns Felding aus Köln handelte, der darin einen Mord gestand.
»Wen er getötet hat und warum er das getan hat, konnten wir noch nicht entschlüsseln. Zu gerne würde ich die Kollegen in Köln um Hilfe bitten und sie recherchieren lassen, ob sie irgendetwas über diesen feinen Herrn Felding in ihrem Archiv haben. Nur sind die Bestände ja gerade auf noch immer neunzehn Stellen in ganz Deutschland verteilt. Es wird Jahre dauern, bis wir auch nur einen Überblick über das haben, was die Katastrophe überstanden hat.«
Ein Raunen zeigte ihr, dass ihre Zuhörer fasziniert von der Geschichte waren. Matthei rutschte neben ihr unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Es lag auf der Hand, dass er auch endlich zu Wort kommen wollte. Klar, als Teilnehmer einer Pressekonferenz den Mund zu halten machte keinen besonders guten Eindruck. Aber da musste er nun durch, dachte sie belustigt. Schließlich war es seine Idee, dabei zu sein. Sie ließ ihren Blick wieder durch die Sitzreihen schweifen und entdeckte plötzlich einen Mann mit braunen, strubbeligen Haaren, der sie fröhlich angrinste. Die Überraschung war ihr vermutlich ins Gesicht geschrieben, was ihn ziemlich zu amüsieren schien. Es war Ulrich, der Taucher aus Köln.
Sie nickte ihm kurz zu und fuhr dann in ihren Ausführungen fort: »Weiter geht aus dem Testament hervor, dass Felding eine beträchtliche Summe seines Vermögens einer Lübeckerin mit Namen Esther vermacht hat. Allerdings hat er eine Bedingung damit verknüpft.« Sie machte eine Pause, um die Spannung zu erhöhen, und sah in die Runde. »Sie sollte das Geld nur bekommen, wenn sie gestehen würde, die Vorlage gefälscht zu haben, aufgrund deren Kaiser Friedrich II . den Reichsfreiheitsbrief für Lübeck ausgestellt hat.«
Ein Murmeln und Fragen brach los. Ungläubige Gesichter. Die Bombe war geplatzt und eingeschlagen. Die Journalisten redeten durcheinander, wollten jedes Detail wissen.
»Bitte«, sagte Kayser und klopfte gegen das Mikrofon, »meine Herrschaften. Ihre Fragen werden alle beantwortet. Aber bitte eine nach der anderen.« Er erteilte einem Mann in einem Strickpullover, der diesem zwei Nummern zu groß zu sein schien, das Wort.
»Inwiefern soll es sich um eine Fälschung handeln?«
Der Nächste wollte wissen, wie sicher das Ganze sei. Man sei schließlich auch schon mal auf gefälschte Hitler-Tagebücher hereingefallen. War es unmöglich, dass der Kölner Kaufmann die Lübeckerin zu Unrecht beschuldigte? Natürlich tauchten auch Fragen auf nach dem Inhalt des Reichsfreiheitsbriefs und seinem Vorgänger, den Kaiser Barbarossa ausgestellt hatte.
Christa und Kayser gaben geduldig Auskunft. Matthei hatte sich auf seinem Stuhl
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