Die unsichtbare Handschrift
haben uns in Köln kennengelernt. Er ist Taucher und hatte die Ehre und das Vergnügen, zwischen riesigen Mauerstücken und Regalen des Archivs herumzutauchen«, erklärte sie.
»Frau …«
»Bauer«, ergänzte sie und grinste.
»Frau Bauer hat mir so viel über alte Pergamente und kostbare Tagebücher erzählt, dass ich doch neugierig geworden bin. Als ich dann hörte, dass ihr sozusagen auf den letzten Drücker, kurz bevor sie wieder nach Lübeck zurückmusste, noch so ein Fund ins Netz gegangen ist, da wollte ich natürlich mehr darüber wissen.«
»Verstehe.« Kayser nickte. »Ich muss dann mal los. Einen schönen Tag noch.« Und an Christa gewandt sagte er: »Wir sehen uns morgen.«
»Ja, bis morgen.« Sie schaute ihm kurz nach, dann blickte sie sich um, ob Matthei noch irgendwo war. Von ihm war allerdings keine Spur zu entdecken. Wahrscheinlich schmollte er jetzt richtig und hatte mit den ersten Journalisten den Saal verlassen, während sie noch mit Kayser und einer Redakteurin der
Lübecker Nachrichten
gesprochen hatte.
»Hast du noch ein bisschen Zeit?«, wollte Ulrich wissen.
»Ja, und großen Hunger. Gehen wir etwas essen?«
»Gern.«
Sie traten auf die Breite Straße hinaus.
»Du bist doch nicht nur in Lübeck, um an unserer Pressekonferenz teilzunehmen. Wie hast du dich eigentlich ohne Presseausweis akkreditieren können? Und woher wusstest du überhaupt von der Veranstaltung?«
»Das sind ein bisschen viele Fragen auf einmal, findest du nicht?« Er pustete, als wäre er eben nach einem Tauchgang wieder an die Oberfläche gekommen.
»Meinst du? Also gegen die Journalisten bin ich noch harmlos, finde ich. Du hast doch gehört, wie sie eine Frage nach der anderen abgeschossen haben.« Jetzt schnaufte sie laut und vernehmlich. »Wenn wir schon einmal hier sind, kann eine winzige Stadtführung nicht schaden, was meinst du?«, schlug sie spontan vor.
»Wieso nur eine winzige?«
»Weil ich Hunger habe. Und wenn ich hungrig bin, werde ich unausstehlich. Vor allem seit ich mir das Rauchen abgewöhnt habe. Also, hast du Lust?«
»Klar! Aber nur ganz kurz«, setzte er gespielt verängstigt hinzu.
Sie zeigte ihm das berühmte Café Niederegger. »Ich bin nicht sehr für Süßes zu haben, aber wer Marzipan mag, findet hier das Paradies.« Nachdem sie ihm den schönsten Blick auf das Kanzleigebäude präsentiert hatte, führte sie ihn noch zur Mengstraße. »Tata, das weltbekannte Buddenbrookhaus.«
»Aha«, machte er wenig beeindruckt.
»Jetzt sag bloß nicht, du hast noch nichts davon gehört. Thomas Mann, sagt dir der Name etwas?«
»He, ich bin ja kein Kulturbanause. Klar habe ich schon vom Buddenbrookhaus gehört.«
»Da bin ich doch beruhigt. Die Stadt liebt die Manns. Das war zwar nicht immer so, gilt dafür heutzutage aber umso mehr. Heinrich wurde übrigens in der Breiten Straße geboren. Familie Mann und Lübeck, das ist wie …« Sie überlegte. »Ja, das ist wie Millowitsch und Köln.«
Er lachte. »Lass den Vergleich bloß keinen Kultursenator hören.«
»Stimmt, dann bin ich meinen Job im Archiv los und werde aus der Stadt gejagt.« Sie lachte.
»Ich dachte, der Grass ist euer Millowitsch.«
»Nee, irgendwie passt der Vergleich auch nicht. Aber lass mal, wenn Lübeck den nicht hätte, würde man hier nur tote Dichter verehren.« Sie rollte mit den Augen. »Ziemlich traurige Vorstellung, was?« Sie lotste ihn in die Fleischhauerstraße. »Jetzt habe ich aber wirklich Kohldampf. Komm, wir gehen in mein Lieblingsrestaurant.«
»Also, was hat dich in den Norden verschlagen?«, wollte Christa wissen, nachdem sie an einem Tisch Platz genommen hatten und von Costas begrüßt worden waren.
»Ich dachte mir, ich mach’s mal wie du.«
Sie runzelte fragend die Stirn.
»Na ja, ich verbinde Arbeit und Freizeit. Hast du in Köln doch auch gemacht. Ich soll hier in der Nähe vielleicht einen Einsatz bekommen. Weiter östlich, vor Rügen, soll ein neuer Offshore-Windpark entstehen. Wir werden wohl die Seekabel verlegen oder zumindest daran beteiligt sein. Wir haben übermorgen einen Ortstermin dort. Da dachte ich mir, ich fahre einfach früher und gucke mir mal die Stadt an, aus der diese sympathische Restauratorin kommt, die mich einfach bei der Arbeit angesprochen und um ein Date gebeten hat.«
Es hatte also auch ein wenig mit ihr zu tun, dass Ulrich hier war. Christa stellte fest, dass ihr dieser Gedanke gefiel.
»Also ein Date war das nun wirklich nicht«, widersprach sie
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