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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Reihen der Krieger und der schwere Ebenholzspeer durchbohrte selbst Brustschilde.
    »Du kannst nichts mehr für ihn tun«, schrie Dwina. Trevirs Kopf ruckte zu ihr herum. Das Gesicht des Mädchens war tränenüberströmt und er wusste, dass seines nicht anders aussah. Sie rannten weiter.
    Endlich hatten sie den Zaun erreicht. Trevir suchte mit den Augen fieberhaft die aneinander gebundenen Stämme ab. Er konnte keine Pforte entdecken. Verzweifelt stemmte er sich gegen die Wand. Nichts. Er versuchte es erneut ein paar Schritte weiter rechts. Und siehe da! Vier der Pfähle gaben nach – oben waren sie zwar mit Tauen verbunden, aber diese funktionierten wie ein Scharnier, weil die Pfosten nicht ins Erdreich getrieben, sondern nur lose aufgehängt waren.
    Anstatt sofort durch die Öffnung zu fliehen, konnte Trevir dem Zwang nicht widerstehen, noch einmal zurückzublicken. Mehrere Krieger hatten sich aus dem Verband gelöst, um die Verfolgung der Flüchtenden aufzunehmen. Cord von Lizard kämpfte immer noch. Und dann geschah das Unglaubliche. Mit einem dröhnenden Schlachtruf wirbelte er herum. Sein Schwert schleuderte vier oder fünf Gegner zu Boden. Obwohl das kaum möglich war, glaubte Trevir, die dunklen Augen des Waffenmeisters aufblitzen zu sehen. »Lauf, mein Freund!«, schrie der aus vielen Wunden blutende Recke. »Tu es für Aluuin, für Trimundus und den allmächtigen Herrn des Triversums!«
    Dann fuhr er herum und holte mit seinem mächtigen Speer aus. Cord zielte unverkennbar auf Molog. Dessen Augen weiteten sich. Zur gleichen Zeit beschrieb Wulfs ausgestreckter Arm einen weiten, schwungvollen Bogen. Als seine Faust auf den Waffenmeister zeigte, öffnete sie sich. Heraus schoss ein blau glimmender Pfeil. Ehe der für seine fast unfehlbare Treffsicherheit bekannte Cord seine Lanze schleudern konnte, traf ihn Wulfs sirrendes Geschoss direkt über dem Brustpanzer, durchbohrte Hals und Wirbelsäule und zischte erst ein ganzes Stück hinter ihm in den Boden.
    Cord von Lizard sackte auf die Knie, kippte zur Seite und rührte sich nicht mehr.
    Dwina schrie entsetzt auf. Trevir spürte, wie ihre Beine nachgaben, und plötzlich war er es, der sie stützen musste.
    »Nein!«, brüllte auch er an ihrer Seite, sein langer Klageruf wollte kein Ende nehmen. Anstatt zu fliehen, blickte er trotzig den heranstürmenden Wachen entgegen. Sieben oder acht von ihnen würden jeden Moment den Zaun erreichen. »Mörder!«, schrie der Hüter des Gleichgewichts wiederholt seinen ganzen Schmerz über den Tod des Freundes heraus, den er viel zu spät als solchen erkannt hatte. Jedes Entkommen schien jetzt ohnehin aussichtslos. In einer verzweifelten Geste riss er den Stab hoch und deutete mit dem knorrigen Knauf, als könne er damit Blitze schleudern, auf die herannahenden Krieger. »Ihr habt euren eigenen Anführer getötet. Verflucht sollt ihr sein für diesen Verrat. Verflucht!«
    Während seine Stimme noch durch das Lager hallte, wurden die Verfolger, als hätte sie eine riesige Faust getroffen, zwanzig oder mehr Schritte zurückgeschleudert. Dort blieben sie wie vom Sturm ausgerissene Vogelscheuchen liegen. Unter den Übrigen verbreitete sich Panik. Keiner wollte diesem zweibeinigen Fluch, der immer noch bedrohlich gloste, und seiner Dienerin zu nahe kommen.
    Mit Ausnahme von Wulf.
    Zu seinem Entsetzen bemerkte Trevir erst jetzt, wie der junge Krieger einen neuen Pfeil aus dem Köcher auf seinem Rücken zog.
    »Schnell, Dwina, schlüpf durch die Pforte!«, stieß der Hüter hervor.
    Die Furcht einflößende Abwehr der Verfolger musste das Mädchen irgendwie aufgerüttelt haben. Willig gehorchte sie seiner Weisung.
    In diesem Moment sah er ein blaues Strahlen an Mologs Seite: Der Pfeil hatte sich aus Wulfs Hand gelöst. Instinktiv ließ Trevir den Stab los, riss noch einmal den Arm hoch und was er nicht einmal zu hoffen gewagt hatte, geschah. Das glühende Geschoss wurde rasch langsamer, als sei es unvermittelt in zähflüssiges Harz eingedrungen, begann dabei noch heller zu strahlen und blieb endlich, unmittelbar vor Trevirs offener Hand, in der Luft stehen. Mensch und Pfeilspitze schienen für einen Augenblick ihre Kräfte zu messen, dann fiel das hölzerne Geschoss zu Boden und erlosch wie ein verglimmender Kerzendocht.
    Schon entnahm Mologs Zögling seinem Köcher einen weiteren Pfeil. Trevir klaubte schnell wieder den Stab auf, fuhr herum und schlüpfte durch die Pforte, die von Dwina offen gehalten wurde. Als das Mädchen die

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