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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vier miteinander verbundenen Pfähle in ihre senkrechte Position zurückschwingen ließ, ertönte ein helles Klacken.
    »Was war das?«, fragte Dwina.
    »Wulfs dritter Pfeil«, antwortete Trevir bitter. Ohne weitere Erklärung nahm er ihre Hand und zog das Mädchen mit sich in den Wald.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, fast so, als hätte er glühende Kohlen in seiner Brust zusammengescharrt. Doch das Brennen ließ schnell nach. Nicht ohne Genugtuung registrierte Trevir, dass er genauso wie Wulf den blauen Glanz beherrschen konnte – wenn man wusste wie, dann war es gar nicht so schwer. Und so, als würde das zurückgehaltene Licht in ihm selbst gespeichert, fühlte er die Kraft des Triversums stärker in sich als je zuvor.
    Hauptsache, er leuchte nicht mehr, hatte Dwina erleichtert angemerkt. Bald waren hinter ihnen nämlich die unruhigen Lichter von Fackeln erschienen. Molog hatte seine verschreckte Kriegerschaft erstaunlich schnell neu formiert. Die Verfolger machten allerdings einen enormen Lärm. Während sie von Licht umgeben waren, jagten sie nach einem »Wild«, das leise durch die Dunkelheit schlich.
    »Sie sind ziemlich dumm«, brummte Trevir, während er Dwina immer tiefer in den Wald hineinführte. Seine Augen hatten sonderbarerweise kaum Mühe, sich in dem Unterholz zurechtzufinden.
    Das Mädchen war immer noch sehr verstört. »Glaubst du wirklich, wir können ihnen entkommen?«
    »Ich bin nicht das erste Mal in einer solchen Lage. Vertrau mir.«
    »Ach!«, stieß Dwina gereizt hervor. »Dann gehört es für dich also schon zur Gewohnheit, Freunde sterben zu sehen?«
    Trevir biss sich auf die Unterlippe. »Nein«, erwiderte er leise. Eine Weile liefen sie weiter schweigend durch den Wald. Dann fragte er: »Cord von Lizard war dein Freund?« Er spürte, wie Dwinas Hand in der seinen zuckte.
    »Ich bin nicht seine Mätresse gewesen, falls es das ist, was du denkst. Als mein Vater von Mologs Kriegern ermordet wurde, wollten sie mich an Ort und Stelle schänden. Zufällig kam Cord von Lizard hinzu und erhob Anspruch auf mich. Ich hatte große Angst. Ein Erzlump hatte meine Jungfräulichkeit einem Galgenstrick abgejagt – so glaubte ich und sah mich schon im Bett des Waffenmeisters liegen. Aber das war ein Irrtum. Cord von Lizard ließ mich für sich arbeiten, aber nur, weil er mir dadurch seine Protektion angedeihen lassen konnte. Selbst der Herr Molog mag anderes von ihm gedacht haben, aber sein Waffenmeister hat mich nie angerührt.«
    Trevir machte Dwina auf einen Ast aufmerksam, der unter ihrem Fuß geräuschvoll zerbrochen wäre. »Cord muss schon vor vielen Jahren die Seiten gewechselt haben. Hast du davon gewusst?«
    »Er hat es nie offen zugegeben. Aber ich bin mehr als drei Jahre lang immer wieder in seiner Nähe gewesen, auch in Situationen, in denen er sich unbeobachtet fühlte. Da macht man sich so seine eigenen Gedanken. Was ich nur nicht verstehe…« Dwinas ohnehin schon leise Stimme erstarb ganz.
    »Warum er Molog nicht schon längst getötet hat?«, erriet Trevir ihre Gedanken. »Ich vermute, weil er zuerst den Plan des Kriegslords herausfinden wollte. Vielleicht auch, weil er Wulfs Gaben nicht richtig einschätzen konnte. Beides mochte ihn zum Abwarten und Beobachten bewegt haben. In diesem tödlichen Spiel geht es immerhin um das Gleichgewicht des Triversums. Hätte Cord seinen Herrn vorschnell getötet, wäre womöglich ein anderer da gewesen, der still und heimlich zu Ende bringt, was Molog begonnen hatte.«
    Es folgte eine weitere Pause. Dwina achtete genau auf jeden Schritt ihres Führers, um seine fast geräuschlose Fortbewegung nachzuahmen. Schließlich fragte sie: »Was ist ein Triversum, Trevir?«
    »Stimmt, das kannst du ja gar nicht wissen«, antwortete der Gefragte und musste an eine Schale Wasser denken, die ihm in dieser Nacht eine neue Sicht seiner eigenen Wirklichkeit verschafft hatte. »Wie soll ich das erklären? – Vielleicht so: Das Triversum ist wie ein Spiegel unserer Welt, in dem du nicht nur ein Abbild erblickst, sondern zwei, die einander ähneln, aber trotzdem nicht gleich sind.«
    »Das heißt, auch dort könnte jemand stehen und in den geteilten Spiegel sehen und dich wie auch deinen Zwilling betrachten und dabei meinen, er allein sei wirklich und die anderen beiden nur seine verzerrten Abbilder?«
    »Ja, Dwina, ich glaube, du bist der Wahrheit näher, als ich es selbst vor kurzem noch für möglich gehalten habe.«
    Während sie sich immer weiter von ihren

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