Die unsichtbare Pyramide
sich die Kräfte des Triversums zu unterwerfen. Als ihm Aluuin auf die Schliche kam, wurde der Novize aus der Bruderschaft ausgestoßen. Die Dokumente blieben jedoch verschwunden. Ich erfuhr erst Jahre später davon, als ich längst Mologs Waffenmeister war. Aluuin öffnete mir die Augen und machte mich zu seinem Verbündeten.«
Trevir hatte das Gefühl, sein Stuhl stünde auf einem schwankenden Schiff. Bis eben noch war die Erinnerung an eine leichthin fallen gelassene Äußerung seines Lehrmeisters verschüttet gewesen – er sprach seinerzeit von »Menschen, die uns immer noch wohlgesonnen sind«, keine Verräter, wie Aluuin ausdrücklich betont hatte, sondern um Personen, die der Bruderschaft im Kampf gegen eine Bedrohung des Gleichgewichts Beistand leisteten. Vermutlich war Cord von Lizard schon damals auf der Seite der Bruderschaft. Trevir wandte sich verwirrt Dwina zu.
»Bist du auch…?«
»Das hat Zeit bis später«, fiel ihm der Waffenmeister ins Wort. »Wir müssen dich erst in Sicherheit bringen, bevor die Soldaten zurückkehren.«
Der Krieger und das Mädchen halfen Trevir auf die Beine. Sein Glanz wurde allmählich schwächer. »Wo sind die Wachen geblieben?«
»Was weiß ich! Das Licht hat sie vertrieben. Zwei musste ich fortschicken. Sie holen Verstärkung, die bald hier sein wird. Und jetzt komm!«
Trevir ließ sich, gestützt auf seine zwei Helfer, wie ein alter Mann vor das Zelt führen.
»Dort entlang«, sagte Cord leise und deutete im Gehen zum Rand des Lagers. »Ich habe unter dem Vorwand, uns gegen eine Belagerung zu wappnen, in der Palisade einen geheimen Durchschlupf einbauen lassen. Er ist da vorne, wo im Zaun die hellen Stämme schimmern, höchstens einen halben Bogenschuss weit. Schaffst du das, Pilger Trevir?«
»Ja, langsam kommt wieder Leben in meine lahmen Knochen. Ich danke Euch, Cord. Bitte verzeiht mir, wenn ich Euch falsch eingeschätzt…«
»Lass uns nicht mehr darüber reden, Junge. Hier, nimm den Stab deines Meisters. Als Oberhaupt des Dreierbunds gehört er jetzt dir.«
Bisher hatte Trevir in Aluuins Stecken nur ein Andenken gesehen, doch jetzt empfing er ihn ehrfürchtig aus der Hand des Waffenmeisters, als handele es sich um das Zepter eines Königs. Voll Bedauern sagte er: »Ich wünschte, Ihr hättet Euch mir früher offenbart.«
»Leider musste ich mich verstellen, damit Molog nichts bemerkt. Es hängt einfach zu viel davon ab…«
»Bleibt stehen!« Der Ausruf ließ die drei Fliehenden erschauern. Es war niemand Geringerer als der Herr des Schwarzen Heeres, der ihnen Einhalt gebot. Neben ihm stand sein Ziehsohn.
»Achtet nicht auf ihn, sondern geht weiter zu der Stelle, die ich euch beschrieben habe«, zischte Cord zu Trevir und Dwina, dann fuhr er herum.
Wulfs vor Selbstgefälligkeit triefende Stimme rief: »Habe ich dir nicht gesagt, Vater, dass dieser Bursche wieder mit seinen Gaben herumspielt? Hab ich’s nicht gesagt?«
»Ja«, knurrte Molog. »Ich hätte auch auf dich hören sollen, als du Cord verdächtigt hast.« An seinen Waffenmeister gewandt brüllte er: »Für deinen Verrat wirst du teuer bezahlen.«
Dwina schmiegte sich eng an Trevir. Er konnte spüren, wie sie vor Angst am ganzen Leib zitterte. Auch er war außer sich vor Erregung. Natürlich hatte er nicht auf den Waffenmeister gehört, sondern sich ebenfalls umgedreht, was ihm einen neuerlichen Schrecken bescherte: Wulf war von einer blauen Aura umgeben, die zwar nur schwach leuchtete, aber dennoch unübersehbar von seiner Natur zeugte. Der Kriegslord hielt ein Schwert und sein Zögling einen Pfeil in der Hand – den Bogen schien er vergessen zu haben. Sie standen höchstens zwanzig Schritte entfernt und hinter den beiden schwärmten Soldaten aus, um die Flüchtenden in einer Zangenbewegung einzukreisen.
»Kommt mit uns!«, beschwor Trevir den Waffenmeister. »Es ist Nacht. Wir können es noch schaffen.«
»Nein. Flieht! Sofort!«, befahl Cord und zog sein Schwert.
»Komm!«, flehte Dwina und zog Trevir mit sich.
Endlich gab er seinen Widerstand auf und lief an ihrer Hand, gestützt auf Aluuins Stab, so schnell ihn seine wackeligen Beine trugen. In seinem Rücken setzte der Lärm eines wütenden Schlachtgetümmels ein. Nach vielleicht fünfzig Schritten drehte sich Trevir um und sah Cord umringt von schwarzen Kriegern. Obwohl älter als die meisten seiner Gegner focht der Waffenmeister wie ein Fleisch gewordener Blitz. Das mächtige Schwert in seiner Rechten fraß sich durch die
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