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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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leide doch nicht an Epilepsie. Bis jetzt ist der Glanz immer nach kurzer Zeit verschwunden.«
    »Das beruhigt mich, denn…« Das Signal einer Feuerwehrsirene ließ Vicente innehalten. Er lauschte kurz und sagte dann: »Sie müssen gleich hier sein. Komm, lass uns verschwinden! Sollte dich, abgesehen von mir, irgendjemand erblicken, könnte sich in der Gegend am Ende das Gerücht verbreiten, der Feenkönig Gwyn ap Nudd sei auf Staatsbesuch nach Glastonbury gekommen.«

 
    12
    Der Auserwählte
    ANX
     
     
     
    Der Walhai konnte den Tauchern mühelos entkommen. In seinem riesigen Maul hätte er bequem noch einen weiteren Mann unterbringen können. Er war gigantisch, so lang wie drei ausgewachsene Elefanten, die – Rüssel an Schwanz – durch den Busch trotteten. Dennoch bewegte er sich in seinem nassen Element weitaus majestätischer als jeder Dickhäuter an Land. Niemand wagte es, sich dem Walhai zu nahen. Abgesehen davon hätte es selbst das modernste U-Boot von Anx nicht vermocht, weil es ihm an Wendigkeit bei weitem unterlegen war.
    Darin lag zugleich Topras Glück und Unglück. Auf einer schleimigen Rutschbahn wurde er wie von einem Staubsauger in den Schlund des großen Fisches gesogen. Dort angekommen, erwartete der Verschluckte seinen baldigen Erstickungstod.
    Topra kämpfte gegen Panik und Übelkeit an. Um seinem Wirt den Appetit zu verderben und ihn zum Würgen zu bewegen, zappelte er hin und her, schlug unentwegt gegen die glibberigen Magenwände. Bald erlahmten seine Kräfte, wenngleich das nicht so sehr am Luftmangel lag. Auch Haie brauchen Sauerstoff, deshalb atmen sie ja durch Kiemen. In ihrem Körper herrscht ein zwar unwirtliches, aber nicht unmittelbar lebensbedrohliches Milieu. Natürlich war der Gestank unakzeptabel, ja geradezu bestialisch. Nachdem die akute Todesangst abgeklungen war, musste sich Topra übergeben. Dunkelheit und Enge wirkten zusätzlich bedrückend auf ihn. Aus dem Rachen des Fisches quoll ständig Nachschub herein, eine breiige Masse aus Kleinstlebewesen. Entgegen seiner anfänglichen Befürchtung erwies sich diese scheinbare Gier für Topra durchaus als ein glücklicher Umstand.
    Menschen sind für Walhaie weitgehend ungenießbar. Deshalb versucht der größte aller Fische sie wieder loszuwerden. Hierbei kommt ihm sein erstaunlicher Verdauungsapparat zugute. Obwohl Topras Zeitgefühl im Innern des Tieres leicht irritiert war, glaubte er doch, noch nicht allzu lange im Schleim gebadet zu haben, als ihn plötzlich etwas in Richtung Maul drückte, das sich wie eine riesige Faust anfühlte. Der Walhai tat nichts anderes als ein Bewohner von Memphis, wenn er den Müll vor die Tür bringt: Er entleerte seinen Magengrund, indem er dessen Inneres langsam nach außen kehrte. Der zweibeinige Fremdkörper glitt auf einem schleimbedeckten Teppich nach oben.
    Mit einem Mal kam Topra salziges Meerwasser entgegen, eine wahre Sturmflut; fast hätte er vergessen Luft zu holen. So gut er konnte, unterstützte er das Würgen seines Transporttieres. Er stemmte die Füße auseinander und stieß sich ab, versuchte mit den Händen irgendwo Halt zu finden, um sich schneller nach oben zu arbeiten. Freilich machte der glibbernde Rachenbelag die meisten seiner Bemühungen gleich wieder zunichte. Ständig glitt er aus. Allmählich wurde ihm der Atem knapp. Da – endlich! – drückte ihn der Hai aus dem Maul.
    Während der Wirt sich wie angewidert von dem Ausgespuckten abwandte und weiter seiner Wege zog, kämpfte der Verschmähte um sein Überleben. Einen Moment lang war Topra orientierungslos. Über dem Meer musste noch immer die Nacht herrschen, denn Dunkelheit war allgegenwärtig. Hinzu kam der immer stärker werdende Druck in den Lungen. Am liebsten hätte Topra den Mund aufgerissen und es dem Hai gleichgetan, einfach das Wasser in sich hineingesogen. Aber dann entdeckte er einen schwachen Schimmer. Wie ein fahles Band zog er über ihm hinweg. Die Milchstraße!
    Der Walhai hatte seinen Magen nicht in großer Tiefe umgestülpt, sondern dicht unter der Wasseroberfläche. Topra begann mit den Füßen zu strampeln und sich mit weiten Armzügen in seine Welt zurückzukämpfen. Sie war überraschend nahe. Fast wie ein richtiger Wal ließ er seinen Oberkörper aus dem Meer schießen, und er sog gierig die frische Luft ein.
    Nachdem er einen Hustenanfall überstanden hatte, machte sich Topra mit seiner Umgebung vertraut. Das baqatische Kriegsschiff war ebenso wenig zu sehen wie die Tanhir. Erneut wollte

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