Die unsichtbare Pyramide
Sklavenring auf den Glanz reagieren wird.«
»Und wenn du dich irrst? Bitte, Hobnaj! Geht nach draußen. Wartet vor dem Laden. Wenn ihr nach einer halben Stunde keine Explosion gehört habt, dann kommt meinetwegen wieder herein.«
»Sollten wir nicht auf den Seher hören?«, fragte Asfahan mit einer gewissen Dringlichkeit. Er hatte inzwischen wie der Nubier seine Augen mit dem blauen Turbantuch beschirmt, um von dem zunehmend greller werdenden Schein nicht geblendet zu werden.
Hobnaj schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn als Neugeborenes durch die halbe Stadt getragen und sein Glanz hat mir nicht geschadet. Aber du kannst ja hinausgehen, wenn du willst.«
»Und Takuba im Stich lassen? Kommt nicht infrage!«
»Du stolzer Dickschädel«, schimpfte Topra. »Dann versuche ich, den Bund zu entschärfen. Wenn ich meine Gabe auf ihn anwende…«
Hobnaj riss die Hände hoch. »Nein! Tu das nicht! Als du damals mit mir über den Hafendamm ›gesprungen‹ bist und mich mitten in den Laderaum der Tanhir versetzt hast, habe ich ein heftiges Ziehen verspürt. Wenn du deine Kräfte auf den Sklavenring lenkst, könnte er tatsächlich explodieren. Lass die Energie einfach durch dich und dieses Teufelsding hindurchströmen.«
Noch immer wurde der Glanz heller. Draußen vor dem Geschäft sah der Eisenwarenhändler mit Schrecken grelle Lichtspeere aus den Ritzen der Trennwand schießen. Mancher Passant mochte sich fragen, warum Mustafa für seine Schneebesen und Mausefallen neuerdings mit einer Lasershow warb.
Sekunden später ratterten die Rollläden herunter. Besser das Geschäft vorzeitig schließen, als die Neugier des Amjib zu erregen, sagte sich Mustafa und harrte unruhig der Dinge, die da möglicherweise noch kommen würden.
Drinnen rechnete Topra mit dem Schlimmsten. Er saß auf dem Drehstuhl vor dem Tisch und hatte die Augen geschlossen. Zwar bemühte er sich, seine Gedanken um Belanglosigkeiten kreisen zu lassen, damit die Kräfte des Drillingsuniversums ungehindert fließen konnten, aber so ganz wollte ihm das nicht gelingen. Die Sorge um seine beiden Freunde war einfach viel zu groß. Außerdem fühlte er Todesangst. Sollte das goldene »Teufelsding« am Ende doch explodieren, was dann? Vermutlich würde er nicht viel spüren, wenn ihm der Bund das Haupt von den Schultern sprengte. So richtig trösten konnte diese Aussicht Topra jedoch nicht.
Die Zeit schleppte sich zäh dahin. Er klammerte sich an der Tischkante fest, um das Zittern seiner Hände zu bändigen. Obwohl seine beiden Freunde nur dastanden, ihn anstarrten und kaum zu atmen wagten, hörte er eine Vielzahl von Geräuschen. Der Lärm aus der Gasse vor dem Laden kam ihm merkwürdig laut vor. Plötzlich knackte es.
Topra zuckte zusammen, kniff die Augen noch fester zu, erwartete die Explosion, doch Asfahan hatte nur sein Gewicht auf dem Dielenboden verlagert. Die Stimme des Nomadenfürsten verschaffte sich erleichtert Gehör.
»Das Licht wird schwächer!«
Topra öffnete das rechte Auge und sah den ganz in Tuch verhüllten Kopf des Nubiers nahe vor seinem Gesicht. Der Vermummte nickte. »Ja, ich denke, wir sind übern Berg.«
Es folgte eine Stille von mehreren Minuten, während der sich die blaue Aura allmählich verflüchtigte. Hobnaj beendete schließlich die gespannte Stille. Unwillig schüttelte er den Kopf.
»Ich hätte mir nie freiwillig so ein Ding umlegen lassen.«
Der Träger des explosiven Schmuckstückes atmete erleichtert auf. »Du hast doch selbst einmal den Sklavenring getragen.«
»Und mich von ihm befreit. Aber das ist fast neunzehn Jahre her. Seitdem hat die Technik enorme Fortschritte gemacht.«
Topra sank das Herz. »Ich hatte gehofft, du würdest eine Möglichkeit kennen, meinen Bund unschädlich zu machen.«
»Aabuwa hat dich mit dem neuesten Modell beglückt. So einen Sklavenring kann man nicht lösen, nur sprengen.« Hobnajs Gesicht blieb reglos, aber seine Augen funkelten, als würde er sich über irgendetwas amüsieren. Tonlos fügte er hinzu: »Jedenfalls behauptet das die kaiserliche Propagandamaschinerie.«
Als Topra am Morgen nach dem Basarbesuch Inukiths Gemächer betrat, war er in keiner besonders guten Verfassung. Am liebsten hätte er sie in den Garten geschleppt und den Palast über den Köpfen der kaiserlichen Familie zusammenstürzen lassen. Aber so reizvoll ihm diese Vorstellung auch erschien, war sie doch nichts als Selbstbetrug. Ihm fehlte der Killerinstinkt und Hobnaj wusste das. Deswegen hatte sich
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