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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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den Einzelheiten des Unternehmens alles andere als begeistert gewesen, denn es konnte nur gelingen, wenn Inukith den Kronprinzen heiratete – ein für Topra nach wie vor unerträglicher Gedanke. Das Mädchen galt in den Augen des Volkes als unbescholten und wurde schon jetzt als »Königin der Herzen« angehimmelt. Als rechtmäßige Gemahlin des Thronfolgers sollte sie nach dem Putsch vorübergehend die Regierungsgeschäfte übernehmen. Aber was, wenn der Umsturz fehlschlug? Wäre Inukith dann nicht Aabuwas Jähzorn und seiner brutalen Rücksichtslosigkeit ausgeliefert?
    Aber da gab es noch etwas anderes, das in Topras Eingeweiden rumorte. Hobnaj hatte Inukith – zu ihrem eigenen, aber auch zum Schutz aller Beteiligten – nichts von ihrer Rolle in seinem großen Planspiel erzählt. Somit legte sie sich aus freien Stücken in das Bett eines Mannes, den sie ebenso wie Topra hasste. Der fühlte sich – umso mehr, da sie sich seit ihrem Streit von ihm fern hielt – verschmäht, verletzt, unverstanden. Und wenn sie ihm tausendmal erklärte, sie wolle ihn durch die Ehe mit Aabuwa vor dem sicheren Tod retten, er konnte ihre Entscheidung trotzdem nicht verwinden.
    In den vergangenen Tagen hatte Topra den scheinbar unaufhaltsamen Lauf der Dinge voll Bitternis verfolgt. Mit düsterer Miene tat er seine Pflicht. Auch jetzt, während er den der memphitischen Triade geweihten Tempel durchsuchte, schwamm seine Seele in einem Meer aus Galle. Das monumentale Heiligtum lag am Rand jener Nekropole, die ihren Weltruhm den drei mächtigen Pyramiden verdankte. Schon vor langer Zeit hatte der steinerne Moloch von Memphis sie verschluckt oder vielmehr eingekapselt, denn der heilige Bezirk blieb, von wenigen Ausnahmen abgesehen, für das gemeine Volk unzugänglich. Die eigentliche Trauungszeremonie würde im Großen Säulensaal des Gotteshauses stattfinden, das gewöhnlich der Anbetung von Ptah, Sachmet und Nefertem diente. Schon ohne zusätzliche Dekoration war der gewaltige Hauptraum eine Pracht aus Blattgold, leuchtenden Fayencekacheln und bunten Bemalungen. Jetzt jedoch, wo ihn golddurchwirkte Stoffbahnen in Blau, Weiß und Grün, rote Teppiche, vielfarbige duftende Blumengestecke und edelsteinbesetzte Käfige mit weißen Pfauen und anderen exotischen Tieren schmückten, blendete er die Sinne. Allein die gewaltigen Dimensionen der Halle machten den Besucher taumeln. Zweihundertsechsundsiebzig wuchtige Rundsäulen wuchsen wie gigantische Papyrusstängel in Schwindel erregende Höhen empor. Wohl nicht von ungefähr drängte sich dem Betrachter der Eindruck auf, ihre nach außen geschwungenen Kapitelle trügen den Himmel als Dach.
    Schließlich strömten die Medienvertreter und Hochzeitsgäste scharenweise in den Saal. Zahlreiche Adlige, millionenschwere Wirtschaftsbosse, verdiente Hofbeamten, fromme Priester, hohe Militärs, Baqat freundlich gesinnte Botschafter sowie etliche Staatsoberhäupter suchten ihre Plätze. Für die wichtigeren Gäste waren entlang der Mittelachse Stühle mit rotem Samtbezug aufgestellt worden, die übrigen mussten stehen.
    Kurz vor elf meldete sich eine Stimme aus Topras Ohrstöpsel, die Wagenkolonne treffe in diesem Moment vor dem Tempel ein. Ab jetzt galt die höchste Sicherheitsstufe. Draußen jubelten die Massen. Er stand nahe dem schwarzen Altarblock an der östlichen Stirnseite der Großen Säulenhalle, wo ein Kolossalbildnis der memphitischen Triade aufragte. Hier, zur Rechten des Priesters und im Rücken des Pharaos, sollte er auch während der Zeremonie nach Sprengsätzen, Giftbomben oder anderen gefährlichen Waffen Ausschau halten.
    Fanfaren kündeten den Einzug des Pharaos und seines Gefolges an. Das Herrscherpaar durchquerte einen großen Saal und erschien dann am Westeingang der Säulenhalle. An Isfets Seite schritt Ibah-Ahiti. Topra hatte die Kaiserin – die »Hexe«, wie er Gisas Peinigerin bisweilen nannte – in den letzten Wochen nur selten zu Gesicht bekommen. Ihr makellos schwarzes Haar war auf ihrem Kopf aufgetürmt wie ein Obelisk. Die Coiffeure hatten darin goldene Ketten und glitzernde Juwelen eingeflochten. Auch sonst bewies Ibah-Ahiti wenig Zurückhaltung in der Auswahl ihrer Geschmeide. Sogar ihr schulterfreies langes hellblaues Seidenkleid war verschwenderisch mit Goldborte verbrämt. Um abträglichen Bemerkungen bezüglich ihrer vollendet modellierten Figur vorzubeugen, hatte sie das schimmernde Tuch über ihrer üppigen Brust und der Wespentaille so eng schneidern lassen,

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