Die unsterbliche Braut
geschehen war.
„Ja“, sagte sie schließlich. „Das ist der Grund, aus dem du geboren wurdest. Alle von uns kommen aus einem bestimmten Grund zur Welt, sei es aus Liebe oder wegen eines Unfalls. Du warst kein solcher Unfall, und ich habe dich von dem Moment an geliebt, in dem ich wusste, dass es dich geben würde. Selbst wenn es nicht zum damaligen Zeitpunkt gewesen wäre, irgendwann wärst du geboren worden. Ich hatte mich schon lange nach einem zweiten Kind gesehnt und es immer hinausgeschoben. Weil ich mich schämte. Ich redete mir ein, ich hätte kein weiteres Kind verdient. Ich dachte, ich hätte dich nicht verdient.“
„Warum?“, brachte ich unter Schluchzen hervor. „Wofür hast du dich geschämt? Für Persephone?“
„Teilweise“, antwortete meine Mutter. „Ich habe mich dafür geschämt, wie wenig sie sich um Henrys Wohlergehen geschert hat und wie selbstsüchtig sie sich benommen hat. Für sie als Person habe ich mich nie geschämt“, fügte sie hinzu. „Sie ist meine Tochter, genau wie du, und nichts könnte mich je dazu bringen, eine von euch weniger zu lieben.“
Ich schniefte. „Aber sie war unglücklich mit ihm. Es ist nicht ihre Schuld, dass er sich in sie verliebt hat oder dass sie sich injemand anders verliebt hat. Man kann nicht zwei Leute zusammenbringen und sie zwingen, bis in alle Ewigkeit miteinander glücklich zu sein. So funktioniert das nicht.“
Meine Mutter setzte sich neben mich. „Empfindest du es so? Dass ich dich gezwungen habe, mit Henry zusammen zu sein?“
Ich schüttelte den Kopf, nickte und schüttelte doch wieder den Kopf. „Ich weiß es nicht“, murmelte ich. „Ich hatte jedenfalls keine Wahl, ob ich ihn kennenlernen wollte.“
„Aber du hattest die Wahl, ob du mit ihm zusammen sein willst“, erinnerte sie mich sanft. „Er hat auf dich gewartet, aber wenn du ihn nicht geliebt hättest, wenn du das hier nicht hättest tun wollen, hätte niemand von uns dich gezwungen.“
„Es fühlt sich aber so an, als hättet ihr das getan“, flüsterte ich deprimiert. „Ohne das hier bin ich niemand. Ich hatte niemals Zeit, herauszufinden, wer … wer ich bin, und jetzt weiß ich nicht, wie ich das schaffen soll, wenn ich dabei gleichzeitig die sein soll, von der ihr wollt, dass ich es bin.“
Wieder seufzte sie und zog mich noch ein bisschen fester an sich. „Alles, was ich will, ist, dass du du selbst bist. Du bist nicht Persephones Ersatz. Du bist meine Tochter, und ich bin so unheimlich stolz auf dich. Nichts wird daran je etwas ändern. Du bist das Licht meines Lebens, und wenn ich nicht geglaubt hätte, dass du mit Henry unglaublich glücklich werden kannst, hätte ich all das hier niemals zugelassen.“
„Es spielt keine Rolle, wie glücklich ich mit ihm bin. Das ändert nichts an dem, was er für Persephone empfindet.“
„Nein, das tut es nicht“, gab sie zu, „aber mit der Zeit wird es das. Henry hat Persephone schon sehr lange geliebt, und die gemeinsame Vergangenheit, die wir alle haben … Er wird nicht sofort über sie hinwegkommen. Aber du musst verstehen, dass er bisher keinen Grund hatte, es zu versuchen. Jetzt hat er dich.“
„Glaubst du wirklich, ich kann es mit ihr aufnehmen?“
Liebevoll küsste sie mich auf den Scheitel. „Wenn du damals schon auf der Welt gewesen wärst, als Henry noch unverheiratetwar, wärst du es gewesen, die ich ihm vorgestellt hätte, nicht Persephone.“
Fassungslos sah ich sie an, und sie lachte leise in sich hinein.
„Ach Liebes. Das Konzept, dass eine Frau sich aussucht, welchen Mann sie heiratet, ist brandneu. Letzten Endes hatte Persephone Tausende von Jahren mit ihm, aber weißt du was? Du hast ihn von jetzt an bis in alle Ewigkeit, wenn du das willst.“ Sie hielt inne. „Tust du das?“
„Ich wünsche es mir“, antwortete ich leise. „So, so sehr.“
„Dann gib dir Zeit, es geschehen zu lassen. Mit Henry zusammen zu sein bedeutet nicht, dass du deine Identität aufgeben musst. Es ist nicht Henry, der dich definiert, und auch nicht die Unterwelt oder die Unsterblichkeit. Du selbst definierst dich, und je mehr du dich wie du selbst benimmst, desto mehr wird Henry dich auch lieben. Das garantiere ich dir.“
Ich wollte ihr so gern glauben, und als ich die Augen wieder schloss, entschied ich, dass ich es fürs Erste zumindest versuchen würde.
Auf Persephone wartete Adonis, und sie würde nicht ewig hierbleiben. Vielleicht wäre es sogar gut für Henry, sie zu sehen; so hatte er
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