Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
mit Mark und mir?«
»Habt ihr denn Probleme?«
»Nein! Nicht im Geringsten. Aber es ist ein seltsamer Gedanke, mit jemandem so lange zusammen zu sein. Ich liebe ihn, und ich bin auch bereit dazu. Es ist bloß so … erschreckend. Und die Kinder … mein Gott. Man bekommt Kinder, und man macht sich ständig bloß noch Sorgen. Man sorgt sich immerzu darum, ob es ihnen auch gut geht. Und der Gedanke daran, dass ich mir für immer und ewig Sorgen um sie machen muss und darum, was sie tun … Ich bekomme beinahe eine Panikattacke, wenn ich nur daran denke. Ich mache mir Sorgen, und ich mache mir Sorgen darüber, dass ich mir ständige solche gottverdammten Sorgen machen muss.«
Ich erzählte ihr von den Bankern, die sich alle scheiden ließen.
»O mein Gott«, sagte sie. »Erzähl mir das bloß nicht.«
»Es tut mir leid.«
»Weißt du, das macht mich alles komplett verrückt. Eines Tages werden wir es machen lassen, und dann werden Marks Freunde ihn fragen: ‚Hey, was willst du immer noch mit dieser alten Schachtel?‘»
»Aber du wirst doch niemals alt werden.«
»Aber ich bin doch bereits alt. Ich habe zwei Kinder. Das macht alt. Dann muss ich mir also darüber auch noch Sorgen machen. Schaffe ich es, meinen Ehemann Jahrhundert für Jahrhundert zufriedenzustellen? Muss ich mir das Fett absaugen lassen, damit ich wieder wie eine knackige gottverdammte Cheerleaderin aussehe? Ich habe nicht die geringste Ahnung, und ich mag den Gedanken daran nicht, dass ich mir all diese Fragen früher oder später werde stellen müssen. Im Moment schlage ich mich ständig mit irgendwelchen Entscheidungen herum: Was mache ich zum Abendessen, auf welche Schule werden wir die Kinder schicken, zu welcher Kindergeburtstagsfeier sollen wir dieses Wochenende gehen? Entscheidungen um Entscheidungen um Entscheidungen, egal ob es um trivialen Schwachsinn oder um wirklich wichtige Dinge geht. Am Ende des Tages bin ich fertig mit den Nerven. Ich verweigere sogar das Abendessen, weil ich mich nicht entscheiden kann, was ich nehmen soll. Ich esse ein paar Cornflakes und lasse es für diesen Tag gut sein. Und dann das. Diese große, riesige Entscheidung. Jede Frage, die ich mir zu diesem Thema stelle, bringt ein Dutzend weitere hervor. Ich bekomme jetzt schon Kopfschmerzen davon, und ich habe noch nicht einmal etwas getan.«
»Es ist dennoch besser als die Alternative.«
»Ist es das? Ich weiß nicht.«
»Nun, du hast ja gesagt, dass du bereits alt bist. Wie hat sich denn das Altwerden bisher angefühlt?«
Sie seufzte. »Beschissen.«
»Gut, nun fühle ich mich etwas besser, was meine Entscheidung betrifft.«
Dann wechselten wir das Thema. Polly servierte kaltes Roastbeef und Mais. Wir redeten, und ich aß, und zum ersten Mal rückte Katys Tod in meinen Gedanken etwas in den Hintergrund, wenn auch nur für einen Moment. Das ist der Trauerprozess: die langsame, letztendliche Wiederaufnahme der eigenen, bedeutungslosen Gedanken und Sorgen. Während ich aß, ließ Pollys Gesichtsausdruck darauf schließen, dass sie sich noch immer Gedanken über das Heilmittel machte. Sie hatte lange versucht, sich gegen die Flut zu stemmen, sich nicht von ihr mitreißen zu lassen. Und hier war ich nun, der Tsunami an ihrer Türschwelle.
GEÄNDERT AM:
17.07.2019, 17:09Uhr
»Haltet euch von Washington DC fern!«
Folgende Mail habe ich von einem Freund in DC bekommen. Es ist sein Kommentar zu den Berichten über das erhöhte Polizeiaufgebot, das notwendig wurde, um die Demonstranten in Midtown in Schach zu halten.
Kumpel, die Sicherheitsmaßnahmen, mit denen ihr euch da oben herumschlagen müsst, sind nichts gegen das, was hier unten abläuft. Der ganze Nordwesten von DC ab der M Street wurde abgeriegelt, nachdem dieses Mädchen wegen ihres »StirbStark«-Armbands zu Tode geprügelt worden ist und die Aufstände in Deutschland begonnen haben. Du kannst nicht mehr nach Downtown fahren. Ich meine, du kommst verdammt noch mal nicht einmal mehr in die Nähe des Weißen Hauses. Und wenn man aus der U-Bahn kommt, dann stehen dort Typen von der Nationalgarde mit geladenen Waffen und dem Finger am Abzug. Bereit, dich aus dem Verkehr zu ziehen, falls du nach Ärger aussiehst. Sie haben das Flugverbotsgebiet über der Stadt auf das beinahe Zwanzigfache ausgedehnt. Wenn man mit einem Linienflugzeug von Boston zum National Airport fliegt, muss man praktisch Ohio überqueren. Das ist doch Wahnsinn.
Downtown DC rund um das Stadion der Wizards ist mehr oder
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