Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
Skyline, das Schanghai und so weiter. Doch der Jungbrunnen überragte sie nun alle. Eine alte Dame auf der rechten Seite des Flugzeugs sah ihn zuerst. Sie schrie vor Freude auf, als er in der Ecke ihres kleinen Bullauges auftauchte.
Alle brachen spontan in Applaus aus und stürzten den restlichen Inhalt ihre Grale hinunter. (Drei Schwachköpfe aus Long Island hatten den DX3490, ich war froh, dass ich mir keinen gekauft hatte.) Ich schwöre, dass der Wasserstrahl, der aus der Mitte des ovalen Springbrunnens emporschoss, unser Fahrwerk berührt hätte, wenn wir direkt darüber geflogen wären. Ich habe gelesen, dass die Fontäne fünfzehn Millionen Liter Wasser in der Minute nach oben pumpt. Nachdem ich sie mit eigenen Augen gesehen habe, scheint mir diese Schätzung zu niedrig. Ich könnte mir vorstellen, dass der Typ, der die Fontäne das erste Mal eingeschaltet hat, seine Hüften nach vorn stieß, um einen besseren Effekt zu erzielen.
Nachdem wir von Bord gegangen waren, mieden wir den Taxistand (die Schlange reichte so weit, dass sie die Sicherheits-Checkpoints im gesamten Flughafen verlegen mussten) und fuhren mit dem Shuttlebus hinunter auf den Strip. Als ich das letzte Mal in Las Vegas gewesen war, hatte die Fahrt zwanzig Minuten gedauert. Dieses Mal dauerte es so viel länger, dass ich den Fahrer fragte, ob denn gerade viele Kongresse stattfanden. Das war aber nicht der Grund dafür.
Er lud uns beim Haupteingang ab, und das Chaos brach über uns herein. Das Hotel hat über zwölftausend Zimmer, und an diesem Abend schien es, als würden sich alle Gäste in der Lobby aufhalten. Wir wechselten uns in Schichten vor dem Check-In-Schalter ab. Die Hälfte von uns wartete, während die andere etwas zu trinken holte, dann wechselten wir uns ab. Als ich an der Reihe war, Alkoholnachschub zu besorgen, ging ich in das Atrium und starrte die Fontäne an. Eine gigantische Wassersäule, die jeglicher Vernunft trotzte. Es sah so aus, als wollte das Hotel ein Feuer auf dem Mond löschen. Bunte Lichter erleuchteten den mächtigen Geysir in einer ausgeklügelten Choreografie. Um den Springbrunnen herum befanden sich die »Deaktivierungsstationen«: kleine Plattformen mit einem Arzt und einem Stuhl, in den sich der bald unsterbliche Patient setzen konnte, um seine Spritzen zu bekommen. Wie in dem Appartement von Dr. X hatte jeder Stuhl Riemen und Gurte, die einen festhielten, während man die Injektionen bekam. Doch anders als im Apartment von Dr. X war hier jeder Stuhl ein eigens entworfener Thron. Man konnte sich das Thema des Stuhls aussuchen. Es gab einen Kaiserthron (aus Gold; er passte genau zu meinem Gral!). Dann gab es einen Poseidon-Stuhl, den Thron des Königs der Meere, der eigentlich ein riesiges Aquarium in Form eines Stuhls war, in dem Miniaturhaie und andere importierte Meeresbewohner unter dem Hintern des Patienten umherschwammen. Es gab auch einen Weltraum-Stuhl. Er hatte die Form eines großen Eies, und an jeder Seite standen zwei heiße Mädchen mit riesigen falschen Titten, die als grüne Aliens verkleidet waren. Und es gab einen Wikinger-Stuhl mit einer gewaltigen Schlange, die zwischen den Beinen des Patienten emporstieg, wenn er sich setzte. Das waren die vier, an die ich mich am besten erinnern kann. Es gab Hunderte davon, und nicht einer glich dem anderen.
Ehrfürchtig drehte ich mich zu meinem Freund Scott um.
»Ich möchte mich am liebsten noch mal deaktivieren lassen.«
»Das kannst du hier auch«, sagte er. »Sie schmeißen eine Deaktivierungsparty für dich, auch wenn du es bereits hast machen lassen. Sie spritzen dir einfach etwas anderes als den Vektor.«
»Und was spritzen sie dir?«
»Ich weiß nicht. Gin?«
Der Jungbrunnen ist perfekt organisiert. Man lässt sich beim Check-In Blut abnehmen (die Schlange dort ist noch länger), und drei Tage später ist der Vektor fertig. Inzwischen verliert man vermutlich sein ganzes Geld und verbringt die nächsten tausend Jahre damit, es wieder zu verdienen. Es ist unglaublich. Nachdem sie deaktiviert wurden, springen alle neuen Unsterblichen von einer Plattform in den Pool am Fuß der Fontäne. Vollständig bekleidet, natürlich. Ich warf einen Blick zum Pool hinaus und sah eine Horde Menschen, die gerade im Wasser herumtollten. Sie trugen allesamt klitschnasse Kleider, Anzüge und Smokings und waren vollkommen betrunken. Getauft für das süße Leben.
Auf unserem Weg zurück zur Check-In-Schlange kamen wir an einer kleinen Ausstellung mit dem
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