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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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daß sowohl Elisabeth wie Thomas lachen mußten.
    »Du ahnst ja nicht, wieviel Viagra ich alternden Männern verschreiben muß«, sagte Thomas lakonisch. Er wußte nicht einmal, ob die Tochter schon einmal mit einem Mann geschlafen hatte. Es konnte durchaus sein, daß sie noch Jungfrau war. Die letzten Jahre war zudem ihre Leibesfülle zu einem so großen Problem geworden, daß es schwierig sein dürfte, eine normale Beziehung zu einem jungen Mann einzugehen. Gesehen hatten sie nie einen. »Es kann einfach ein innerer Druck entstehen, der zu stark wird«, fuhr er fort.
    Er merkte, daß Elisabeth plötzlich aufhorchte und ihn interessiert anschaute, obwohl er nicht das Gefühl hatte, etwas Ernstes oder Tiefsinniges gesagt zu haben. Gleichzeitig merkte er, daß mit den Worten mehr und mehr Gedanken kamen, daß das Gesagte fast vor dem Gedachten kam, daß das, was er sagen wollte, vielleicht wichtiger war, als er geglaubt hatte.
    »Erklär mal genauer«, sagte Annika skeptisch. Es war deutlich, daß sie nicht bereit war, das Verhalten von Mildred Låtefoss so ohne weiteres zu entschuldigen.
    Elisabeth konnte eine spöttische Bemerkung nicht unterdrücken: »Vergiß nicht, Annika, daß Mildred immer in Papa verliebt war. Sie schickt ihm regelmäßig schmachtende Weihnachtsgrüße, und sie war schon da, bevor Thomas und ich zusammenkamen. Ich kenne keine Frau, die ihre Bereitschaft so offen zeigt.«
    Aus den Augen der Tochter schossen Blitze. »Wehe, du wagst es, Papa! Wehe, du wagst es!«
    »Hör doch einfach zu, was ich erzählen will!«
    »Na gut«, sagte Annika schmollend.
    Thomas warf Elisabeth einen Blick zu. Sie lächelte ihn an.
    Er war froh, daß sie einander so vertrauen konnten, daß sie nicht eifersüchtig war, obwohl, ein bißchen eifersüchtig hätte sie schon sein können. Das hätte nicht geschadet.
    »Innerer Druck?« sagte Annika.
    »Ja, innerer Druck. Das erlebe ich auch bei einigen meiner Patienten. Die Midlifecrisis ist eine Tatsache. Männer wie Frauen merken, daß ihre Zeit begrenzt ist, daß das Leben vielleicht schneller vergeht, als man dachte.« Er bereute sofort, was er gesagt hatte, vor genau diesem Gedanken hatte Annika solche Angst. Aber er sah keine Regung an ihr und fuhr fort: »Viele lassen sich dann scheiden. Manche kehren auch wieder zueinander zurück, nachdem sie eine Weile andere Beziehungen ausprobiert und gemerkt haben, daß wegsein gut, daheimsein aber besser ist. Man meint dann, für den Rest seines Lebens zu wissen, wohin man gehört. Aber so ist das ja nicht. Das Leben ist kurz, aber für die, die lange leben …«
    »Ich hoffe, daß ihr lange lebt!« Annikas Augen waren bereits blank. Sie hob das Glas, und alle drei prosteten sich zu.
    »Für die, die lange leben«, fuhr Thomas fort, »oder die das glauben, kann der sechzigste Geburtstag Anlaß sein,darüber nachzudenken: Wie soll eigentlich mein Alter aussehen? Erstaunlich viele unternehmen in dieser Periode etwas mit ihrem Leben, lassen sich scheiden, wechseln den Beruf, ziehen um. Es gibt eine Statistik für Lebensglück, und das ist am höchsten bei den Sechzig- bis Siebzigjährigen, die gesund sind. Denke nur an Großmutter und Großvater Brenner. Sie sind jetzt bald neunzig Jahre alt und werden gebrechlich, aber bis hoch in die Achtziger lebten sie ein fantastisches Leben. Großvater arbeitete nicht mehr, sie hatten mehr Zeit füreinander. Erinnere dich an ihre Reisen mit dem Auto quer durch Europa. Und die Wanderungen in der Nordmarka. Eine Zeitlang waren sie sogar mehrmals die Woche unterwegs.«
    »Ja«, sagte Annika eifrig. »Ich weiß noch, wie sie zu Hause in ihrem Wohnzimmer saßen, an dem großen Fenster, Jahr für Jahr. Als sei die Zeit stehengeblieben. Ich träume davon, daß es auch mit uns so gehen wird.«
    »Vielleicht wird es so«, sagte Elisabeth beruhigend und strich der Tochter leicht über den Rücken. Sie krümmte sich wie eine Katze.
    »Es muß einfach ein Mittel erfunden werden, daß ihr Alten nicht sterben müßt«, sagte Annika.
    »Wir sind nicht alt«, korrigierte Thomas.
    »Doch, für mich seid ihr alt«, sagte Annika. »Ihr seid bereits in dem Alter, vor dem ich mich von klein an fürchtete. Herrgott, Mama, du wirst sechzig! Du kriegst graue Haare. Du mußt mir versprechen, sie zu färben! Ich hasse Frauen, die ihr graues Haar zeigen!«
    »Und was ist mit mir?« sagte Thomas unschuldig.
    »Bei Männern ist das anders«, schnaubte Annika.
    »Warum eigentlich?« fragte Elisabeth zugleich neckend

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