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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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einen skeptischen Blick zu. »Eine Notiz ist besser als nichts.«
    Er unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Die Sache ist einfach zu blöd. Warum sollte ich öffentlich geehrt werden?«
    »Und warum müssen wir Mamas sechzigsten Geburtstag feiern?« sagte Annika frech.
    Thomas Brenner zuckte zusammen. Die Tochter hatte die Fähigkeit, den Nagel auf den Kopf zu treffen.
    »Weil wir sie lieben«, sagte er.
    »Einige da draußen lieben dich «, sagte Annika lakonisch.
    Elisabeth Dahl senkte den Kopf. Sie sah besonders schön aus, wenn sie verlegen war, dachte er. »Das ist Thomas’ Idee. Ich persönlich kann auf diese besonderen Ehrungen verzichten.«
    »Es geht ebensosehr um die anderen«, sagte er, »um die, die dich feiern wollen.«
    »Und wieder andere wollen dich feiern«, sagte Annika.
    »Zum Beispiel eine, die sich scheiden lassen möchte«, spottete Thomas.
    »Papa, hör jetzt auf! Das gehört nicht hierher. Natürlich mußt du gefeiert werden! Natürlich muß Mama gefeiert werden! Was seid ihr bloß für Langweiler. Könnt ihr euch nicht wie normale Menschen benehmen?«
    »Nein«, sagte Thomas. »Ab jetzt werde ich mich wie Präsident Barack Obama benehmen. Er war völlig verwirrt, als man ihm mitteilte, daß er den Friedensnobelpreis bekommt.«
    »Weil er noch nichts für die Menschheit geleistet hatte.«
    »Aber du hast etwas geleistet, Papa!«
    »Was denn?«
    »Du hast alten, grauhaarigen Männern Viagra verschrieben!«
    »Ich verstehe, ich muß meine Haare färben«, sagte Elisabeth Dahl lapidar.
    Sie lachten alle drei. Diese Diskussion war bereits eine Totgeburt, dachte Thomas Brenner. »Bitte die Rechnung«, sagte er zu dem Kellner. Zum ersten Mal zog Elisabeth nicht ihre Kreditkarte heraus.
     
    Sie gingen ins Tanzinstitut. Es lag auf der anderen Straßenseite auf einem alten Brauereigelände. Ein kalter, herbstlicher Wind fegte die Pilestredet herunter.
    »Der erste Vorbote des Winters«, sagte Elisabeth Dahl. Sie hatte immer ein besonderes Gefühl für die Jahreszeiten.
    Thomas Brenner nickte. Er mochte nicht, was sie ankündigte. Sein Herz machte einige harte Schläge. Er atmete tief in der Hoffnung, einen erneuten Anfall zu vermeiden, obwohl er wußte, daß Flimmerherzen gewöhnlich nicht so rücksichtsvoll waren.
    »Warum atmest du so schwer, Papa?«
    Er legte seinen Arm um die Schultern der Tochter und ging mit ihr zusammen über die Straße und zu den roten Ziegelsteingebäuden. Von allen Seiten liefen Jugendliche an ihnen vorbei. Er sah geschminkte Gesichter und grellgefärbte Haare. Die Vorstellung, daß das wirklich Studenten waren, fiel ihm schwer.
    Elisabeth drückte kurz seine freie Hand und ging dicht neben ihm. Ein plötzliches ungutes Gefühl. Das, was ihm morgen bevorstand, würde ernste Konsequenzen für sie haben, dachte er. Viele Jahre lang hatte es in der Beziehung zwischen dem Dahl- und dem Brenner-Haus einen bestimmten Rhythmus gegeben. Nun wird eine Verschiebung eintreten. Nun werden Gordon und Bergljot Brenner viel mehr Zuwendung brauchen als vorher. Aber war für sie überhaupt noch Zeit da? Solange auch Tulla und Kaare in der oberen Etage saßen und die alltäglichen kleinen Zuwendungen verlangten? Was sollte von ihrer Familie übrigbleiben, die jetzt so viele Jahre in einer Art von stillschweigendem Gleichgewicht des Terrors gelebt hatte: Montagvormittag putzte Elisabeth das Haus in Dagaliveien, während Thomas sich darum kümmerte, daß Gordon in seinen Bridgeclub kam. Dienstagnachmittag kaufte Thomas für seine Eltern ein und fuhr kreuz und quer durch die Stadt, um die gewünschten Produkte zu besorgen. Mittwoch fuhr Elisabeth ihre Mutter zur Physiotherapie, während Thomas sich darum kümmerte, daß sein Vater den obligatorischen Spaziergang hinauf zur Sprungschanze und zurück machen konnte. Donnerstag war der Tag mit den Töchtern und Tulla und Kaare. Freitagnachmittag war der Tag für den Großeinkauf, und den erledigten Elisabeth und Thomas zusammen, bevor der freie Pizzaabend für diejenigen der Familie begann, die dazu Zeit und Lust hatten. Aber Bergljot und Gordon warennicht mobil genug, deshalb wurde ein Teil des Samstags bei ihnen verbracht. Nur der Sonntag war nicht verplant, wenigstens auf dem Papier. Aber da gab es meistens unvorhergesehene Ereignisse, eine Glühbirne, die in einem der Häuser ihren Geist aufgegeben hatte, ein Leck in einem der zahlreichen Heizkörper, Mäuse im Keller.
    Ja, ein ungutes Gefühl, dachte Thomas Brenner und spürte plötzlich

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