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Die Unsterblichen

Die Unsterblichen

Titel: Die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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genauso niedergeschlagen, zurückgewiesen und verstoßen wie ich?«
    Ich sehe ihn an und will mich ihm anvertrauen, wünsche mir, ich könnte ihm alles erzählen, den ganzen schäbigen Gefühlswirrwarr. Dass ich mir erst gestern noch sicher war, dass zwischen uns etwas Bedeutsames geschehen war, nur um heute aufzuwachen und das hier vorgesetzt zu bekommen. Doch ich schüttele nur den Kopf, sammele meine Sachen zusammen und gehe zum Unterricht, lange, bevor es klingelt.
     
    Während der ganzen fünften Stunde - Französisch - überlege ich, wie ich Kunst schwänzen könnte. Ganz im Ernst. Selbst während ich an dem üblichen Drill teilnehme, sich meine Lippen bewegen und fremde Worte formen, ist mein Verstand völlig besessen davon, Magenschmerzen vorzutäuschen, Übelkeit, Fieber, einen Schwindelanfall, Grippe, ganz egal was. Jede Ausrede ist mir recht.
    Und nicht nur wegen Damen. Die Wahrheit ist, ich weiß gar nicht, warum ich diesen Kurs überhaupt belegt habe. Ich habe keinerlei künstlerisches Talent, meine Arbeit ist völlig im Eimer, und es ist ja auch nicht so, als ob ich Künstlerin werden will. Und, ja, wenn man diesem ohnehin schon satten Gemisch auch noch Damen hinzufügt, dann kommt am Ende nicht nur ein ernsthaft versauter Notendurchschnitt dabei heraus, sondern auch noch siebenundfünfzig Minuten Verkrampftheit.
    Schließlich gehe ich doch hin. Hauptsächlich, weil es richtig ist. Und ich bin so sehr damit beschäftigt, mein ganzes Zeug zusammenzusuchen und meinen Kittel überzuziehen, dass ich zuerst überhaupt nicht merke, dass er gar nicht da ist. Und als die Minuten vergehen, ohne dass etwas von ihm zu sehen ist, nehme ich meine Farben und gehe zu meiner Staffelei.
    Nur um diesen blöden dreieckigen Zettel darauf vorzufinden.
    Ich starre das Papierdreieck an, konzentriere mich so sehr darauf, dass alles um mich herum dunkel und undeutlich wird. Das ganze Klassenzimmer ist auf einen einzigen Blickpunkt reduziert. Meine ganze Welt besteht aus einem dreieckigen Briefchen, das auf einer schmalen Holzleiste ruht; der Name Stada steht vorne darauf. Und obwohl ich keine Ahnung habe, wie es hierhergekommen ist, obwohl ein schneller Rundblick durch den Raum mir bestätigt, dass Damen nicht hier ist, will ich das Ding nicht in meiner Nähe haben. Ich weigere mich, bei diesem abartigen kleinen Spiel mitzumachen.
    Ich nehme einen Pinsel und stoße den Zettel damit so heftig weg, wie ich nur kann, sehe zu, wie er durch die Luft fliegt, ehe er zu Boden fällt. Und ich weiß, dass ich mich kindisch benehme, lächerlich sogar, besonders als Ms. Machado herüberkommt und ihn aufhebt.
    »Sieht aus, als wäre dir etwas runtergefallen«, trällert sie mit strahlendem, erwartungsvollem Lächeln; sie hat keine Ahnung, dass ich den Zettel absichtlich dorthin bugsiert habe.
    »Das gehört mir nicht«, murmele ich, ordne meine Farben neu und denke bei mir, sie kann ihn ja Stacia selbst bringen, oder, noch besser, ihn wegwerfen.
    »Dann gibt es hier also noch eine Ever, von der ich nichts weiß?«
    Wie bitte?
    Ich nehme den Zettel, den sie vor mir zwischen den Fingern baumeln lässt; Ever ist klar und deutlich darauf gekritzelt, und zwar in Damens unverwechselbarer Handschrift. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, keine logische Erklärung. Denn ich weiß, was ich gesehen habe.
    Meine Finger zittern, als ich anfange, ihn auseinanderzufalten, alle drei Ecken aufklappe, sie glatt streiche. Und nach Luft schnappe, als eine kleine, detaillierte Zeichnung sichtbar wird - eine kleine, detaillierte Zeichnung von einer wunderschönen roten Tulpe.
     
     

ELF
    Bis Halloween sind es nur noch ein paar Tage, und ich bin immer noch mit den allerletzten Arbeiten an meinem Kostüm beschäftigt. Haven geht als Vampir (ach was!), Miles als Pirat - aber erst, nachdem ich es ihm ausreden konnte, sich als Madonna während ihrer Kegelbrust-Phase zu verkleiden -, und als was ich gehe, verrate ich nicht. Aber nur, weil meine einstmals tolle Idee sich zu einem überambitionierten Projekt entwickelt hat, an das ich immer weniger glaube.
    Obwohl ich zugeben muss, wie überrascht ich war, dass Sabine überhaupt eine Party schmeißen wollte. Zum Teil, weil sie sich eigentlich nie wirklich für solche Sachen zu interessieren scheint, hauptsächlich aber, weil ich dachte, wir könnten von Glück sagen, wenn wir beide zusammen auf fünf Gäste kämen, maximal. Doch allem Anschein nach ist Sabine sehr viel beliebter, als mir klar war, denn sie hatte

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