Die Unsterblichen
blond, aber so hoch könnte ich mein Haar nie im Leben auftürmen), trage roten Lippenstift auf und befestige eine durchscheinende schwarze Maske über den Augen und lange Strassgehänge an meinen Ohren. Danach stelle ich mich vor den Spiegel, drehe mich und wirbele herum und lächele, während mein glänzendes Kleid sich um mich bauscht. Ich bin hin und weg, wie schön es geworden ist.
Kaum ist Riley wieder im Zimmer erschienen, verkündet sie kopfschüttelnd: »Alles klar - endlich! Ich meine, erst hat sie die Nase aufgesetzt, dann hat sie sie wieder abgenommen, dann hat sie sie noch mal aufgesetzt und sich so gedreht, dass sie ihr Profil sehen konnte, nur um sie dann wieder abzunehmen. Ich schwör's dir, ich musste mich echt zusammenreißen, damit ich ihr das Ding nicht einfach aus dem Gesicht rupfe und es zum Fenster rausschmeiße.«
Ich erstarre, halte den Atem an und hoffe inständig, dass sie nichts dergleichen getan hat, denn bei Riley weiß man nie.
Sie lässt sich auf den Schreibtischstuhl fallen und schiebt sich mit der Spitze ihres grünen Glitzerschwanzes im Kreis herum. »Keine Angst«, sagt sie. »Als ich die Nase zuletzt gesehen habe, hatte sie sie im Bad neben dem Waschbecken liegen gelassen. Und dann hat irgend so ein Typ angerufen und wollte eine Wegbeschreibung, und sie hat die ganze Zeit davon geschwärmt, wie toll du das Haus dekoriert hättest, und dass sie es kaum fassen könnte, dass du das alles ganz allein bla-bla-bla.« Mit gefurchter Stirn schüttelt sie den Kopf. »Das findest du bestimmt klasse, wie? Das ganze Lob für unsere Arbeit einzuheimsen.« Sie hört auf zu kreiseln und betrachtet mich prüfend und ausführlich. »Also Marie Antoinette«, bemerkt sie. »Wäre ich nie drauf gekommen. Ich meine, du machst dir doch gar nicht so viel aus Kuchen.«
Ich rolle die Augen. »Nur zu deiner Information, das mit dem Kuchen hat sie nie gesagt. Das war ein mieses Revolverblatt-Gerücht, also glaub das bloß nicht«, belehre ich sie und kann nicht aufhören, in den Spiegel zu schauen, während ich erneut mein Make-up überprüfe, meine Perücke betaste und hoffe, dass alles dort bleibt, wo es hingehört. Doch als ich Rileys Spiegelbild sehe, lässt irgendetwas mich innehalten und auf sie zutreten. »Hey, alles klar?«
Sie schließt die Augen und beißt sich auf die Lippen. Dann schüttelt sie den Kopf und sagt: »O Mann, schau uns doch mal an. Du hast dich als tragische Teenie-Königin verkleidet, und ich würde alles tun, nur um ein Teenie zu sein.«
Unwillkürlich strecke ich beinahe die Arme nach ihr aus, doch meine Hände bleiben unbeholfen neben meinem Körper hängen. Ich bin wohl so sehr daran gewöhnt, sie um mich zu haben, dass ich manchmal vergesse, dass sie nicht wirklich da ist, dass sie nicht mehr Teil dieser Welt ist und dass sie niemals älter werden, niemals die Chance haben wird, dreizehn zu sein. Und dann fällt mir wieder ein, dass das ja alles meine Schuld ist, und ich fühle mich noch viel, viel schlechter. »Riley, ich -«
Doch sie schüttelt nur den Kopf und wedelt mit ihrem Schwanz herum. »Mach dir keine Sorgen.« Sie lächelt und schwebt von dem Stuhl in die Höhe. »Wird Zeit, die Gäste zu begrüßen.«
Haven ist mit Evangeline gekommen, ihrer beziehungsproblembelasteten Spenderfreundin, die, Riesenüberraschung, ebenfalls als Vampir verkleidet ist. Und Miles hat Eric mitgebracht, einen Typen, den er vom Schauspielunterricht kennt und der unter der Zorromaske und dem schwarzen Satinumhang vielleicht sogar ganz niedlich sein könnte.
»Ich fasse es nicht, dass du Damen nicht eingeladen hast«, sagt Haven kopfschüttelnd und überspringt das Hallo-Sagen einfach. Sie ist schon die ganze Woche lang sauer auf mich, seit sie erfahren hat, dass er nicht auf der Gästeliste steht.
Ich atme tief durch; ich habe es satt, ständig das Offen-sichtliche zu rechtfertigen, schon wieder darauf hinzuweisen, dass er uns eindeutig abgehakt hat und nicht nur an Stacias Lunchtisch zu einer Dauereinrichtung wird, sondern auch an ihrem Platz im Klassenzimmer. Dass er aus allen möglichen Verstecken Rosenknospen hervorzaubert und dass sein Kunstprojekt Frau mit gelbem Haar ihr allmählich verdächtig ähnlich sieht.
Ich meine, Verzeihung, dass ich nicht länger auf die Tatsache eingehen möchte, dass er trotz der roten Tulpen, dem geheimnisvollen Zettel und dem vertraulichen Blick, den wir damals gewechselt haben, seit fast zwei Wochen nicht mehr mit mir gesprochen
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