Die Unsterblichen
mich herumwirbeln. Und mir wünsche, ich wäre vernünftig genug gewesen, zuhause zu bleiben, wo es ruhiger ist, sicherer.
Gerade habe ich meine Kapuze hochgeschlagen und bin im Begriff, mir die Knöpfe meines Kopfhörers in die Ohren zu stecken, als Haven sich zu mir umdreht und sagt: »Ist das dein Ernst? Machst du das hier wirklich?«
Ich halte inne und schiebe sie wieder in die Tasche. Denn obwohl ich alle um mich herum übertönen will, möchte ich nicht, dass meine Freunde glauben, ich wolle mich auch gegen sie abschotten.
»Komm schon, ihr müsst euch den Glasbläser anschauen, der ist echt irre«, drängt Miles und führt uns an einem ziemlich authentisch aussehenden Weihnachtsmann und etlichen Silberschmieden vorbei, ehe er vor einem Mann Halt macht, der wunderschöne bunte Glasvasen herstellt, nur mit dem Mund, einem langen Metallrohr und Feuer. »Das muss ich unbedingt auch lernen«, seufzt Miles völlig hingerissen.
Ich stehe neben ihm und sehe zu, wie der flüssige Farbenwirbel sich formt und Gestalt annimmt, dann gehe ich zum nächsten Stand, wo ein paar wirklich coole Handtaschen ausgestellt sind.
Ich nehme eine kleine braune Tasche von ihrem Bord und streiche über das butterweiche Leder. Das wäre vielleicht ein schönes Weihnachtsgeschenk für Sabine, denn so etwas würde sie sich niemals selbst kaufen, könnte es sich aber insgeheim durchaus wünschen.
»Was kostet die hier?«, erkundige ich mich und zucke zusammen, als meine Stimme in einem endlosen Echo in meinem Schädel widerhallt.
»Hundertfünfzig.«
Ich betrachte die Verkäuferin, ihren blauen Batik-Kittel, die ausgeblichenen Jeans und das silberne Peace-Zeichen, das sie um den Hals trägt, und ich weiß, dass sie bereit ist, mit dem Preis herunterzugehen, weit herunter. Aber meine Augen brennen so sehr, und das Hämmern in meinem Kopf ist so schlimm, dass ich nur noch nach Hause will.
Ich lege die Tasche zurück und will mich schon abwenden, als sie sagt: »Aber für Sie hundertdreißig.«
Obwohl mir vollkommen klar ist, dass sie immer noch hoch bietet, dass es noch jede Menge Spielraum gibt, um zu handeln, nicke ich nur und gehe weiter.
Da sagt jemand hinter mir: »Wir wissen doch beide, dass ihre absolute Untergrenze bei fünfundneunzig liegt. Warum gibst du also so schnell auf?«
Ich drehe mich um und sehe eine zierliche Frau mit kastanienbraunem Haar vor mir, die von einer strahlenden violetten Aura umgeben ist.
»Ava.« Sie nickt und streckt mir die Hand entgegen.
»Ich weiß«, erwidere ich und ignoriere ihre Hand demonstrativ.
»Wie geht es dir?«, fragt sie lächelnd, als hätte ich nicht gerade etwas extrem Kaltes, Unhöfliches getan, woraufhin ich deswegen ein noch schlechteres Gewissen habe.
Ich zucke die Achseln und blicke rasch zu dem Glasbläser hinüber, halte Ausschau nach Miles und Haven und verspüre die ersten Anzeichen der Panik, als ich sie nicht sehe.
»Deine Freunde stehen bei Laguna Taco an. Aber keine Angst, sie bestellen für dich mit.«
»Ich weiß«, sage ich, obwohl das nicht stimmt. Mein Kopf tut viel zu weh, um irgendjemanden zu lesen.
Und als ich wieder weitergehen will, packt sie mich am Arm und sagt: »Ever, mein Angebot steht noch, ich möchte, dass du das weißt. Ich würde dir wirklich gern helfen.« Sie lächelt.
Mein erster Impuls ist, mich loszumachen, mich so weit wie möglich von ihr zu entfernen, doch in dem Augenblick, als sie die Hand auf meinen Arm gelegt hat, hat mein Kopf aufgehört zu hämmern, in meinen Ohren dröhnt es nicht länger, und meine Augen produzieren keine Tränen mehr. Doch dann sehe ich ihr in die Augen, und mir fällt wieder ein, wer sie ist - diese grauenhafte Frau, die mir meine Schwester gestohlen hat. Ich kneife die Augen zusammen, reiße meinen Arm los und funkele sie wütend an. »Finden Sie nicht, dass Sie schon genug geholfen haben?« Ich presse die Lippen zusammen. »Sie haben mir doch schon Riley gestohlen, was wollen Sie also noch?« Ich schlucke schwer und gebe mir Mühe, nicht zu weinen.
Sie zieht besorgt die Brauen zusammen; ihre Aura ist ein wunderschönes violettes Leuchtfeuer. »Riley hat niemals irgendjemandem gehört. Und sie wird immer bei dir sein, auch wenn du sie nicht sehen kannst«, sagt sie und streckt abermals die Hand nach meinem Arm aus.
Aber ich weigere mich, ihr zuzuhören. Und ich weigere mich, mich noch einmal von ihr anfassen zu lassen, ganz gleich, wie beruhigend ihre Berührung ist. »Gehen ... halten Sie sich einfach
Weitere Kostenlose Bücher