Die Unsterblichen
stark.
»Ihr Sterblichen.« Abfällig schürzt sie die Lippen. »Es macht solchen Spaß, euch zu ärgern, ihr seid so einfache Ziele. Du glaubst, ich hätte dieses ganze aufwändige Täuschungsmanöver inszeniert, nur um das Ganze so schnell zu Ende zu bringen? Da gibt es doch bestimmt einfachere Methoden. Verdammt, wenn ich gewollt hätte, hätte ich dich in deinem Zimmer erledigen können, als ich alles vorbereitet habe. Es wäre so viel schneller gegangen, hätte weniger Zeit gekostet, aber es hätte eindeutig nicht so viel Spaß gemacht. Uns beiden, meinst du nicht auch?«
Mit offenem Mund starre ich sie an, ihr makelloses Gesicht, das perfekt frisierte Haar, das vollendet geschnittene schwarze Seidenkleid, das an all den richtigen Stellen anliegt oder fließend fällt, wie das alles ihre atemberaubende Schönheit betont. Als sie mit der Hand durch ihr glänzendes, kupferrotes Haar fährt, sehe ich ihr Ouroboros-Tattoo. Doch kaum blinzele ich, ist es schon wieder verschwunden.
»Also schauen wir mal, du hast gedacht, Damen würde dich hierherführen, würde dich gegen deinen Willen hierherrufen. Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Ever, aber das war ich, die ganze Riesenfarce, alles mein Werk. Ich liebe den 21. Dezember, du etwa nicht? Die Wintersonnenwende, all diese lächerlichen Goth-Fuzzis, die es in irgendeinem dämlichen Canyon krachen lassen.« Sie zuckt die Achseln; ihre eleganten Schultern heben und senken sich, das Tattoo an ihrem Handgelenk taucht auf und verschwindet wieder. »Entschuldige meine Neigung zum Dramatischen. Allerdings bleibt das Leben dadurch ja interessant, findest du nicht?«
Wieder versuche ich, mich loszumachen, doch sie fasst noch viel fester zu; ihre Nägel graben sich tief ein und lösen einen schrecklichen, scharfen Schmerz aus, als sie sich glatt durch meine Haut bohren.
»Jetzt sagen wir einfach mal, ich lasse dich laufen. Was würdest du dann tun? Weglaufen? Ich bin schneller. Nach deiner Freundin suchen? Uups, meine Schuld, Haven ist gar nicht hier. Anscheinend habe ich sie auf die falsche Party geschickt, im. falschen Canyon. Gerade jetzt läuft sie dort herum, schiebt und drängelt sich durch hunderte von lächerlichen Möchtegern-Vampiren und sucht nach mir.« Sie lacht. »Ich dachte, wir halten lieber ein kleineres, intimeres Beisammensein ab. Und es sieht so aus, als wäre unser Ehrengast eingetroffen.«
»Was willst du?«, frage ich und beiße die Zähne zusammen, als sie noch fester zupackt; die Knochen meines Handgelenks geben nach und knirschen unter unerträglichen Schmerzen gegeneinander.
»Hetz mich nicht.« Ihre verblüffend grünen Augen werden schmal. »Alles zu seiner Zeit. Also, wo war ich, ehe du mich so unhöflich unterbrochen hast? Ach ja, wir haben darüber gesprochen, wie du hier oben gelandet bist und dass das alles überhaupt nicht so läuft, wie du erwartet hast. Aber schließlich ist in deinem Leben ja nichts so, wie du es erwartest, nicht wahr? Und um die Wahrheit zu sagen, so war's immer schon, und es wird wohl auch so bleiben. Verstehst du, Damen und ich kennen uns schon sehr lange. Ich meine, sehr, sehr, sehr lange - nun, du verstehst schon. Und trotzdem, trotz all dieser gemeinsamen Jahre, trotz unserer Langlebigkeit tauchst du immer wieder auf und kommst mir in die Quere.«
Ich schaue zu Boden und frage mich, wie ich so blöd sein konnte, so naiv. Bei alldem ging es gar nicht um Haven - es ging nur um mich.
»Ach, jetzt sei doch nicht so streng mit dir. Das ist nicht das erste Mal, dass du diesen Fehler machst. Für dein Abtreten habe ich schon oft gesorgt, in - mal sehen, wie viele Leben waren's doch gleich?« Sie zuckt mit den Schultern. »Na ja, ich hab wohl aufgehört zu zählen.«
Plötzlich fällt mir wieder ein, was Damen gesagt hat, damals auf dem Parkplatz, dass er mich nicht wieder verlieren könne. Doch als ich sie anschaue und sehe, wie ihr Gesicht hart wird und sich verändert, verdränge ich solche Gedanken aus meinem Kopf; mir ist klar, dass sie sie lesen kann.
Sie geht um mich herum und schwingt dabei meinen Arm, so dass ich mich im Kreis drehe, ehe sie mit der Zunge schnalzt. »Schauen wir doch mal, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, und das tut es nie, haben wir die letzten paar Mal ein Spiel gespielt, Süßes oder Saures. Und ich denke, es ist nur fair, dir gleich zu sagen, dass das für dich nicht so besonders gut gelaufen ist. Trotzdem, anscheinend bekommst du es nie über, also habe ich gedacht,
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