Die Unsterblichen
demonstrieren, wie leicht es den Menschen fällt, sich wegen etwas Besserem, Aufregenderem von dir abzuwenden. Du bist ganz allein, Ever. Isoliert, ungeliebt, allein. Dein Leben ist jämmerlich und kaum lebenswert. Also tue ich dir einen Gefallen, wie du siehst. Allerdings wirst du es mir nicht danken.«
Ich starre sie an und frage mich, wie jemand, der so unglaublich schön ist, im Innern so hässlich sein kann. Dann blicke ich ihr fest in die Augen, mache einen winzigen Schritt rückwärts und hoffe, dass sie es nicht bemerkt.
Ich bin doch gar nicht mehr mit Damen zusammen. Wir haben längst Schluss gemacht. Warum gehst du also nicht und suchst ihn, und wir können getrennte Wege gehen und vergessen, dass das hier jemals passiert ist!, denke ich in der Hoffnung, sie abzulenken.
Lachend verdreht sie die Augen. »Glaub mir, du bist die Einzige, die vergessen wird, dass das hier jemals passiert ist. Außerdem, so einfach ist das wirklich nicht. Du hast keine Ahnung, wie das alles funktioniert, nicht wahr?«
Da hat sie Recht.
»Verstehst du, Damen gehört mir. Und er hat immer mir gehört. Aber unglücklicherweise tauchst du in deiner dämlichen, sich ständig wiederholenden Seelenwanderung andauernd wieder auf. Und da du dich nicht davon abbringen lässt, ist es inzwischen meine Aufgabe geworden, dich jedes Mal zu finden und zur Strecke zu bringen.« Sie macht einen Schritt auf mich zu, während ich einen Schritt zurücktrete. Meine blutige Fußsohle landet auf einem spitzen Stein, und ich schließe die Augen, während ich unter dem schier unerträglichen Schmerz zusammenzucke.
»Du findest, das tut weh?« Drina lacht. »Wart's nur ab.«
Ich schaue mich in dem Canyon um. Mein Blick huscht wild umher, sucht nach einem Ausweg, nach irgendeiner Fluchtmöglichkeit. Dann trete ich noch einen Schritt zurück und stolpere abermals. Meine Hand streift den Boden, meine Finger schließen sich um einen scharfkantigen Stein, den ich ihr ins Gesicht schleudere. Er trifft sie genau auf die Kinnlade und reißt ein Stück aus ihrer Wange.
Sie lacht, aus dem Loch in ihrem Gesicht schießt Blut, und man kann sehen, dass zwei Zähne fehlen. Und dann sehe ich voller Grauen zu, wie alles wieder verheilt, wie ihre reine, nahtlose Schönheit wiederhergestellt wird.
»Das schon wieder.« Sie seufzt. »Komm schon, versuch was Neues. Schau doch mal, ob du mich zur Abwechslung unterhalten kannst.«
Die Hände in die Hüften gestemmt, die Brauen hochgezogen, steht sie vor mir, doch ich weigere mich davonzulaufen. Ich weigere mich, den nächsten Zug zu machen. Ich weigere mich, ihr noch ein Idiotenrennen zu liefern. Außerdem ist alles, was sie gesagt hat, wahr. Mein Leben ist wirklich ein einsames, grauenhaftes Durcheinander. Und jeder, mit dem ich in Berührung komme, wird auch darin in die Tiefe gezogen.
Ich sehe, wie sie auf mich zukommt, wie sie voller Vorfreude lächelt, weil sie weiß, dass das Ende nahe ist. Also schließe ich die Augen und erinnere mich an den Augenblick kurz vor dem Unfall. Als ich noch gesund und glücklich war, von meiner Familie umgeben. So lebhaft stelle ich es mir vor, dass ich den warmen Ledersitz unter meinen nackten Beinen fühlen kann, ich kann spüren, wie Buttercups Schwanz gegen meinen Oberschenkel klopft, ich kann hören, wie Riley aus vollem Halse singt, ihre Stimme klingt unmelodisch, und sie trifft keinen einzigen Ton. Ich kann das Lächeln meiner Mutter sehen, als sie sich auf ihrem Sitz umdreht und ihre Hand vorstreckt, um gegen Rileys Knie zu stupsen. Ich kann die Augen meines Vaters sehen, wir schauen beide in den Rückspiegel, sein Lächeln, wissend, freundlich und belustigt ...
Ich halte diesen Augenblick fest, umschließe ihn tief in meinem Denken, erlebe das Gefühl, die Gerüche, die Geräusche, die Empfindungen, als wäre ich dort. Weil ich will, dass dies der letzte Moment ist, den ich vor mir sehe, ehe ich sterbe. Ich will noch einmal erleben, wie ich zum letzten Mal wirklich glücklich war.
Und gerade als ich so tief darin eingetaucht bin, dass es scheint, als wäre ich tatsächlich dort, höre ich Drina aufkeuchen. »Was zum Teufel... ?«
Und ich öffne die Augen und sehe das Erschrecken auf ihrem Gesicht, wie ihr Blick über mich wandert, wie ihr der Mund offen steht. Dann schaue ich an mir hinunter, sehe ein Nachthemd, das nicht mehr zerrissen ist, Füße, die nicht mehr bluten, Knie, die nicht mehr zerschrammt sind. Und als ich mit der Zunge über einen vollständigen
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