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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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und als er während seiner Postdoczeit in Geys Labor zum ersten Mal etwas von Henrietta hörte, fühlte er sich sofort mit ihr verbunden. Er wollte die Beiträge würdigen, die sie seither zur Wissenschaft geleistet hatte. Deshalb organisierte er am 11. Oktober 1996 an der Morehouse School of Medicine das erste jährliche HeLa Cancer Control Symposium. Er lud Wissenschaftler aus der ganzen Welt ein, Vorträge über Krebserkrankungen bei Minderheiten zu halten, und bat die Stadtverwaltung von Atlanta in einer Petition, den 11. Oktober, das Datum der Konferenz, zum Henrietta-Lacks-Tag zu erklären. Die Stadt erklärte sich einverstanden, und das Büro des Bürgermeisters gab eine offizielle Erklärung heraus. Unter anderem wurde Howard Jones aufgefordert, einen Artikel beizusteuern und darin über seine Erinnerungen an die Diagnose von Henriettas Tumor zu berichten. Darauf schrieb Jones:
    Aus klinischer Sicht ging es Mrs. Lacks nie gut … Wie Charles Dickens am Anfang seiner Geschichte von zwei Städten sagt: »Es war die beste aller Zeiten, es war die schlechteste aller Zeiten.« Für die Wissenschaft war es die beste aller Zeiten, weil gerade dieser eigenartige Tumor die Zelllinie HeLa hervorbrachte … Für Mrs. Lacks aber und die Familie, die sie hinterließ, war es die schlechteste aller Zeiten. Der wissenschaftliche Fortschritt verlangt wie eigentlich jeder Fortschritt einen hohen Preis, und so ein Preis ist auch das Opfer, das Henrietta Lacks erbracht hat.
    Pattillo erhielt von einem befreundeten Arzt am Hopkins Deborahs Telefonnummer und rief sie an. Als sie von seinen Planungen für die Tagung und den offiziell ausgerufenen Henrietta-Lacks-Tag hörte, war sie begeistert: Endlich ehrte ein Wissenschaftler ihre Mutter. Wenig später zwängte sich die ganze Familie – Day, Sonny, Lawrence, Deborah, Bobbette, Zakariyya und Deborahs Enkel Davon – in ein Wohnmobil, das Pattillo für sie gemietet hatte, und fuhr nach Atlanta. Das Filmteam der BBC folgte ihnen.
    Unterwegs, an einer Tankstelle, lächelte Deborah in die Kamera und erklärte, warum sie zur Morehouse School fuhren. »Da kommen viele Doktoren und reden über verschiedene Themen und verschiedene Gebiete der Wissenschaft«, sagte sie. »Und dann geben sie meinem Bruder und meinem Vater und mir Plaketten zu Ehren vom Namen unserer Mutter. Ich weiß also, dass es ein großer Tag wird.«
    Sie sollte recht behalten. Zum ersten Mal wurden die Mitglieder der Familie Lacks wie Berühmtheiten behandelt: Sie wohnten im Hotel, und die Leute baten sie um Autogramme. Es gab aber auch ein paar Wermutstropfen. Durch die Aufregung im Vorfeld der Feierlichkeiten schoss Sonnys Blutdruck in gefährliche Höhen, und am Ende musste er ins Krankenhaus, so dass er das Ereignis beinahe verpasst hätte. Zakariyya leerte die Minibar in seinem Zimmer, dann auch die im Zimmer seines Vaters und bei Deborah. Als er sah, dass man ihn als »Joseph Lacks« vorgestellt hatte und Henrietta als die Frau, die die HeLa-Zellen »gespendet« hatte, begann er zu krakeelen und warf mit Programmheften um sich.
    Deborah gab sich alle Mühe, solche Dinge zu ignorieren. Als sie auf die Bühne trat, war sie so nervös, dass das Rednerpult wackelte, an dem sie sich festhielt. Seit Wochen machte sie sich Sorgen, im Publikum könne ein Heckenschütze sitzen – ein Wissenschaftler, der ihrer habhaft werden wollte, um Forschung
an ihrem Körper zu betreiben oder um zu verhindern, dass die Familie Probleme bereitete. Aber Pattillo versicherte ihr, sie habe nichts zu befürchten.
    »Entschuldigen Sie, wenn ich ein Wort falsch ausspreche«, sagte sie dem Tagungspublikum, »aber ich habe Schwierigkeiten, und als ich in die Schule gekommen bin, hatte ich nicht den richtigen Unterricht. Bis ich erwachsen war, durfte ich nicht einmal ein Hörgerät tragen. Aber ich schäme mich nicht dafür.«
    Dann räusperte sich Deborah, und während Pattillo in der Nähe saß und ihr Mut machte, begann sie mit ihrer Ansprache:
    Als Dr. Pattillo mich angerufen hat, wurde alles Wirklichkeit. Jahrelang schien es ein Traum zu sein. Nicht zu wissen, was in all diesen Jahren vorgegangen ist. Nicht einmal zu wissen, wie man darüber spricht. Kann das alles, was man über unsere Mutter sagt, stimmen? Nicht zu wissen, wen man fragen soll, wenn man etwas verstehen will. Niemand aus dem Gebiet der Medizin hat sich die Zeit genommen.
    Dann richtete sie das Wort unmittelbar an ihre Mutter:
    Wir vermissen dich so, Mama … Ich denke

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